München – Sportdirektor Christoph Freund (46) und Trainer Thomas Tuchel (50) waren in Leipzig gerade in den Mannschaftsbus gestiegen, als der TV-Sender Sky mit folgender Nachricht überraschte: Jerome Boateng (35) steht unmittelbar vor einer Rückkehr zum FC Bayern. Im Laufe des Abends kristallisierte sich schnell heraus, dass die Meldung mehr ist, als bloß ein Gerücht. Die letzten Zweifler der Rückholaktion wurden spätestens am Sonntagvormittag eines Besseren belehrt, als Boateng am Reservisten-Training an der Säbener Straße teilnahm. Um 10.58 Uhr meldeten die Bayern auf ihrer Homepage: „Nach dem 2:2 des FC Bayern im Bundesliga-Topspiel bei RB Leipzig absolvieren die Spieler, die nicht in der Startelf standen, am Sonntag eine Trainingseinheit an der Säbener Straße. Mit dabei: Der zweifache Triple-Sieger Jerome Boateng.“ Und: „Boateng soll auch in den kommenden Tagen an der Säbener Straße mittrainieren.“
Aber was steckt hinter diesem unerwarteten Comeback? Dass der Münchner Kader eher dünn besetzt ist, dürfte mittlerweile hinlänglich bekannt sein. Dass Trainer Tuchel große Stücke auf Boateng hält und ihn seinerzeit gerne bei Paris Saint-Germain trainiert hätte, wurde in der Vergangenheit ebenfalls mehrfach geschrieben. Dass diese beiden Aspekte aber ausreichen, um eine der spektakulärsten Rückholaktionen der jüngeren Vereinsgeschichte durchzuziehen, würde dann aber doch überraschen. Als sogenannter „Free Agent“ (vertragsloser Spieler) kann Boateng jederzeit bei einem Verein anheuern. Der Abwehrspieler, der zuletzt bei Olympique Lyon unter Vertrag stand, hatte im Sommer ein Angebot aus Saudi-Arabien abgelehnt und sich daraufhin beim „Myos“-Fitness in Form gehalten. Inhaber Matt Blankenburg ist auch der Privatcoach von David Alaba (31). Franck Ribéry (40) ist auch regelmäßig dort.
Mit Dayot Upamecano (24) und Matthijs de Ligt (24) befinden sich zwei verletzungsanfällige Spieler im Bayern-Kader. Der Niederländer verpasste das Topspiel in Leipzig am Samstag wegen Knieproblemen. Im Pokalspiel in Münster besetzten Mittelfeldspieler Leon Goretzka (28) und Rechtsverteidiger Noussair Mazraoui (25) die Abwehrzentrale. Solche kuriosen Szenarien möchte Tuchel in Zukunft vermeiden – und hier kommt Boateng ins Spiel. Zumal Abwehr-Talent Tarek Buchmann (18/Muskelbündelriss) ebenfalls häufig verletzt ausfällt. Die Leihe von Josip Stanisic (23) zu Bayer Leverkusen wirkt in dem Zusammenhang noch hanebüchener. Zumal Boateng vergangene Saison lediglich 430 Spielminuten für Lyon auf dem Platz stand und es fraglich ist, ob die nicht vorhandene Spielpraxis trotz soliden Fitness-Zustand aufholen kann.
In der bayerischen Fan-Szene sorgt Boatengs Rückkehr für Aufregung – wegen seines Privatlebens. Das Landgericht München I hatte Boateng im Oktober vergangenen Jahres wegen Angriffen auf seine Ex-Verlobte Sherin S. in zweiter Instanz wegen Körperverletzung und Beleidigung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10 000 Euro verurteilt – insgesamt 1,2 Millionen Euro.
Vor zehn Tagen hob das Bayerische Oberste Landesgericht das Urteil auf – wegen Verfahrensfehlern. Wann die neue Verhandlung stattfindet, ist „noch nicht absehbar“.