München – Als die fünfminütige Nachspielzeit runtergezittert war, wurden gut postierte Löwen-Fans Zeugen einer Gefühlsexplosion. Auf dem Platz brüllte Kapitän Jesper Verlaat wie der Löwenbräu-Löwe, doch das war nichts gegen die Szenen, die sich unmittelbar vor der Trainerbank abspielten. Marc-Nicolai Pfeifer fiel Maurizio Jacobacci um den Hals und drückte ihn, dass man Angst um den 1,70 großen Italo-Schweizer haben musste. Es folgte ein Wirbel aus Beckerfäusten, erst die doppelte Ausführung, dann einfache, in die Luft gepeitschte. Wer die Vorgeschichte dieses 1:0 über Verl verfolgt hat, der ahnte: Hier wurde gerade nicht nur der zweite 1860-Sieg in Folge gefeiert, der zweite zu null. Nein, in diesem Jubel schwang auch ein Stück Genugtuung mit. Der Streit mit einem Fanblog, die vom Geschäftsführer angekündete Klage, ein Plakat mit strenger Botschaft in der Kurve (s. Foto) – all das führte dazu, dass Pfeifer am Samstag ziemlich sicher der zufriedenste Löwe in einem an zufriedenen Löwen nicht armen Grünwalder Stadion gewesen ist.
Die leidige Vereinspolitik ist durch den Sprung auf Tabellenplatz neun in den Hintergrund gerückt – fürs Erste. Rechtzeitig vor der Englischen Woche reden die Fans wieder über Fußball. Der am Samstag war zwar nicht sonderlich schön anzusehen. Die kurzfristigen Ausfälle von Julian Guttau (krank) und Morris Schröter (Adduktoren), den formstarken Halle-Helden, hatten dazu geführt, dass Jacobacci die Löwen neu sortierte (3-2-4-1) und einen sehr pragmatischen Kampfsport aufführen ließ. Das Siegtor passte wie gemalt zu diesem adrenalinhaltigen Nachmittag: Joel Zwarts stocherte, Startelf-Rückkehrer Tim Rieder passte scharf nach innen – den Rest erledigte der Gegner, der den Ball billardartig in die eigenen Maschen lenkte (Paetow, 40.).
Wie heißt es so schön? Da fragt nächsten Samstag keiner mehr nach! In diesem Fall musste es allerdings heißen: Da fragt schon am Dienstag keiner mehr nach, denn vor dem Heimkracher gegen Dresden (Samstag, 14 Uhr) steht das undankbare Spiel beim starken Aufsteiger Ulm auf dem Programm (Dienstag, 19 Uhr). Jacobacci, der nun auf eine ausgeglichene Startbilanz blicken kann (zwei Siege, vier Niederlagen, zwei Siege), sagte: „Das war mit Sicherheit kein schönes Spiel. Es war ein Arbeitssieg. Wir haben mit unbändigem Willen unser Tor verteidigt, sind an unsere Grenzen gegangen.“ Den Schluss, den er aus dem Auftritt zieht: „Wir sind enorm gewachsen, was Mentalität anbelangt.“ Auf Nachfrage unserer Zeitung deutete er an, dass eine gewisse Wagenburg-Mentalität, geschuldet den jüngsten Vorkommnissen, zum aktuellen Aufschwung beigetragen haben. „Ich habe den Spielern nur eine Sache gesagt“, sagte Jacobacci: „Dass sie das Tor verteidigen müssen, wie wenn es die eigene Familie wäre. Wenn die eigene Familie in Gefahr ist, dann macht man alles, um sie zu beschützen. Ich glaube, sie haben diese Message sehr gut verstanden.“
In diesem Sinne und mit dieser Mentalität soll es weitergehen – schon am Dienstag in Ulm, wo erneut wichtige Kräfte ausfallen (Starke, Schröter), aber zumindest die Chance besteht, dass Guttau zurückkehrt. Ansage von Startelf-Debütant Kilian Ludewig, der sich wacker schlug, wenngleich er drei Premiumchancen vergab: „Wir haben zweimal hintereinander zu null gespielt, was wichtig ist, denn ein Tor machen wir immer.“ Jacobacci mahnt zu erhöhter Konzentration: „Es gilt nun, das nächste Spiel ins Auge zu fassen. Dresden ist noch sehr weit weg.“