Speed-Dating in Amerika

von Redaktion

Nagelsmann will DFB-Team auf US-Trip schnell zu einer Einheit formen

Frankfurt – Immerhin Thomas Müller (34) hatte gute Laune. Kurz vor Abflug des DFB-Reisetrosses in Richtung US-Metropole Boston, meldete sich der Routinier mit einem launigen Video aus dem Flieger. „Die Nationalmannschaft ist gut drauf. Abflug in die USA – wir freuen uns“, sprach Müller in seine Smartphone-Kamera. Beim Großteil der Nationalspieler und dessen Vorgesetzten in den Vereinen hält sich die Freude über den Trip über den Großen Teich in Grenzen. „Aus sportlicher Sicht muss diese Reise nicht unbedingt sein, eher unglücklich. Die Strapazen sind enorm, die Jungs sind sowieso ständig unterwegs. Das ist nicht unbedingt das, was man sich wünscht“, kritisierte der Münchner Sportdirektor Christoph Freund (46) noch am Sonntagabend.

Bayern-Mittelfeldspieler Leon Goretzka (28), der es unter Neu-Bundestrainer Julian Nagelsmann (36) wieder ins DFB-Aufgebot schaffte, zeigte sich ebenfalls unglücklich angesichts der anstehenden Länderspiele am 14. Oktober in Hartford gegen die USA (21 Uhr MESZ, RTL) und vier Tage später in Philadelphia (2 Uhr MESZ, ARD) gegen Mexiko: „Es ist reisetechnisch nicht optimal und vor allem, was ich persönlich schade finde, dass das zweite Spiel um 2 Uhr morgens deutscher Zeit stattfindet. Das kann ich wirklich nicht verstehen.“

Es ehrt Bundestrainer Nagelsmann, dass er die Kritik aus den Bundesliga-Reihen ernst nimmt. Und dennoch: „Atmosphärisch ist so eine Art Trainingslager immer gut, weil man im positiven Sinne aufeinander hängt“, sagte Nagelsmann bei seiner kurzen Presserunde vor dem Flughafen-Hotel Hilton Airport am Montagmorgen in Frankfurt. Alles im Griff, alles entspannt, alles wird gut – das strahlte er von den Haarspitzen bis zu den weißen Sneakern aus.

Als er dann gegen Mittag an Bord des Fluges LH 422 ging, der in einen steingrauen Himmel abhob, hatte Nagelsmann auch schon seinen Plan skizziert. Beim „Speed-Dating“ mit seinem 26er-Kader auf dem Gelände des NFL-Teams New England Patriots in Foxborough/Massachusetts will und muss er eine Einheit schmieden, die in acht Monaten bei der Heim-EM ein ganzes Land mitreißt. Die Zeit rast.

Bayern-Trainer Thomas Tuchel (50) hatte bereits am Freitag heftig Alarm geschlagen und nahm kein Blatt vor den Mund: „Vor einer EM in Deutschland in Amerika gegen Mexiko zu spielen – ich weiß nicht, ob sich mir das erschließt. Ich weiß auch nicht, ob mir das jemand so schlüssig erklären kann, dass ich es verstehe.“

Mit Müller, Goretzka, Joshua Kimmich (28), Leroy Sané (27) und Jamal Musiala (20) stellt der Rekordmeister fünf Spieler ab, die in München zu den Leistungsträgern zählen. Ihr Trainer ist besorgt: „Die deutschen Nationalspieler kommen am Donnerstag zurück und sitzen am Freitag im Flieger nach Mainz, sitzen am Montag im Flieger nach Istanbul, kommen am Mittwoch wieder zurück.“ Das sei das Ende der Belastbarkeit.

Nagelsmann versicherte zwar, dass er mit den betroffenen Vereinstrainern im Austausch sei, doch das kann eine mögliche Verletzung im Fall der Fälle auch nicht verhindern. Rückenwind pustete ihm Uli Hoeneß hinterher: „Julian hat sich jetzt gut erholt“, meinte Hoeneß, „der wird volle Fahrt nach vorne fahren.“

Das wollen auch die drei Neulinge Robert Andrich (Bayer Leverkusen), Kevin Behrens (Union Berlin) und Chris Führich (VfB Stuttgart), die sich beweisen dürfen. Hummels wird sich als Rückkehrer in der Hierarchie deutlich weiter vorne einreihen und spricht darüber auch offensiv: „Ich werde ein Anführer sein, ob ich auf dem Feld stehe oder nicht.“

Verspätet wird Kai Havertz (24) zur Nationalmannschaft stoßen, beim London-Legionär steht noch eine Zahn-Operation an. Hoffentlich der einzige medizinische Eingriff in den nächsten Tagen.

Nagelsmann will Rücksicht auf Belastung nehmen

Mats Hummels: „Ich werde Anführer sein“

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