Hart wird es von Dienstag auf Mittwoch. 2 Uhr, nachtschlafende Zeit, da wird dann das Länderspiel Mexiko – Deutschland angepfiffen. Werden wir den Nachgeborenen eines Tages erzählen können „Für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bin ich noch mitten in der nacht aufgestanden“, so wie wir einst zu hören bekamen „Für die Boxkämpfe von Muhammad Ali habe ich mich schlaftrunken vom Wecker aus dem Bett reißen lassen“? Mitten in der Woche um 2 Uhr den Schlaf-wach-Rhythmus unterbrechen und den Biorhythmus nachhaltiger stören, als es bei den Spielern der Amerika-hin-und-zurück-Jetlag tun wird – also, dafür müsste uns schon das Spiel am Samstag zur Normalzeit 21 Uhr motivieren: USA – Deutschland, der erste Auftritt des Bundestrainers Julian Nagelsmann.
Viel ist geschrieben worden darüber, dass eine Interkontinentalreise im Oktober komplett unsinnig ist – doch dieses Jammern, wann immer die Nationalmannschaft Raum für sich beansprucht, ist auch Bundesliga-Folklore. Strittige Trips unternehmen die Clubs zur Genüge, und bedenken sollte man, dass USA und Mexiko als Gegner ausgewählt wurden, weil es in Europa schwierig ist, Kontrahenten zu finden, wenn fast alle mit der EM-Qualifikation zu tun haben. In der Situation nach einem Trainerwechsel ist es für ein Team vielleicht sogar gewinnbringend, wenn es mit weniger medialer Begleitung als sonst ein bisschen weiter weg ist. Die Stunden im Flugzeug kann man auch nutzen – für Kennenlerngespräche Trainer – Spieler.
Was vom Kader zu halten ist, weiß man noch nicht so recht. Im Grunde beschreibt die Namensliste die strukturelle Krise des deutschen Spitzenfußballs. Vom Alter her ist es in Teilen eine AH-Mannschaft – doch für den Schnitt an Jahren weisen die Spieler wenig Erfahrung auf. Wenn Debütanten fast 30 oder schon darüber sind, heißt das in der Regel nicht, dass sie übersehen wurden, sondern dass ihr Talent nicht ausreichte, um jemand für die Auswahl der Besten zu sein. Hansi Flick hat man nachgesagt, verzweifelte Experimente unternommen zu haben – womöglich gilt das auch für Nagelsmann.
Der Unterschied: Nagelsmann ist neu und daher die Toleranz größer, ihn einfach mal machen zu lassen. Bei Gefallen am Samstag könnte man als Kompromiss am Mittwoch sich um 3 Uhr zur zweiten Halbzeit erheben.
Guenter.Klein@ovb.net