„Das Finanzielle war nicht der Hauptfaktor“

von Redaktion

Robert Bauer spielt in der Saudi Pro League – im Interview erklärt der Ex-Ingoldstädter warum

Saudi-Arabien drängt mit aller Macht in den Fußball. Immer mehr Superstars werden mit Mega-Gehältern in die Saudi Pro League gelockt. Unsere Zeitung ist in das Königreich gereist und beleuchtet in einer Serie den umstrittenen Wüstenstaat. Auch ein deutscher Spieler mischt mit: Robert Bauer (28). Der ehemalige Bundesliga-Profi (Ingolstadt, Bremen, Nürnberg) verteidigt seit Sommer für Al-Tai. Im Interview mit unserer Zeitung spricht Bauer über seine Erfahrungen in Saudi-Arabien und verrät, warum er zum Islam konvertiert ist.

Herr Bauer, wie ist das sportliche Niveau?

Ich bin ehrlich gesagt positiv überrascht. Vor allem für mich als Verteidiger ist das Niveau vergleichbar mit der Bundesliga, weil alle Mannschaften hier Top-Stars im Sturm haben. Darauf liegt der Fokus in der Liga. Deshalb haben die meisten Vereine ausländische Angreifer, das sind meistens auch Spieler eines gewissen Kalibers.

Verschieben sich die Machtverhältnisse von Europa nach Saudi-Arabien?

Das wird man sehen. Man muss einfach schauen, wie es die nächsten Jahre weitergeht, welche Investoren sich in die Liga und das Land trauen und wie das alles in Zukunft finanziert wird. Natürlich nicht in dem Ausmaß, aber vor ein paar Jahren gab es in China auch einen kleinen Boom. Da wurde es nach ein, zwei Jahren relativ schnell ruhig. Allerdings kann man das hier nicht mit China vergleichen, weil die Mannschaften in Saudi-Arabien trotzdem eine Tradition haben und die Liga länger vorhanden ist, als das in China der Fall ist. Ich denke, dass hier auf jeden Fall mit Verstand gearbeitet wird und sich die Machtverhältnisse ein wenig verschieben werden. Aber ob komplett aus Europa nach Saudi-Arabien? Das denke ich nicht. Dafür ist der Markt in Europa einfach zu groß, zu alt und einfach top.

Sie sind im Sommer zu Al-Tai FC gewechselt – im besten Fußballer-Alter. Hand aufs Herz: Ging es nur ums Geld?

Meine Beweggründe für diesen Wechsel waren primär nicht das Finanzielle. Das kann man mir glauben oder nicht. Meine Frau ist in Dubai aufgewachsen. Wir wollten einfach näher an ihrer Familie dran sein. Dass das Finanzielle auch eine Rolle gespielt hat, ist klar. Das werde ich nicht leugnen. Aber es war nicht der Hauptfaktor.

Glauben Sie, dass in Zukunft mehr deutsche Fußballer nach Saudi-Arabien kommen werden?

Es ist schon klar, dass die Medienlandschaft – vor allem in Deutschland – dem Ganzen eher kritisch gegenübersteht. Ich könnte mir auch vorstellen, dass sich einige nicht in das Kreuzfeuer begeben wollen. Jeder muss das für sich selbst entscheiden. Ich würde es auf jeden Fall willkommen heißen, wenn mehr deutsche Spieler hierhin wechseln würden.

Aktuell hat es täglich weit über 30 Grad Celsius. Inwiefern passen Sie sich als Fußballer in Saudi-Arabien an die extreme Hitze an?

Auch wenn es sich komisch anhört: Bei 35 bis 40 Grad geht es einem schon ein bisschen besser als davor. Im Hochsommer, wenn es weit über 40 Grad hat, trainiert man recht spät, um 20, 21 Uhr. Im Moment ist unser Training auf 18.30 Uhr angesetzt, kurz nach Sonnenuntergang beginnt meist die Einheit. Wenn der Sonnenuntergang in den nächsten Wochen etwas früher ist, wird das Training auch dementsprechend früher beginnen. Nichtsdestotrotz muss man sagen, dass es schon ein Weilchen gedauert hat, bis sich der Körper umgestellt hat.

Worauf müssen Sie noch achten?

Man muss auf jeden Fall aktiv mehr trinken, mehr re-hydrieren. Ich habe am Anfang schon gemerkt, dass es recht schwierig ist, da genug Flüssigkeit zu sich zu nehmen, wenn man es so macht wie in Europa, wo man sich in der Trinkpause schnell einen Schluck Wasser nimmt und das war’s dann. Wir haben auch in Liga-Spielen in beiden Halbzeiten nach 30 Minuten Trinkpausen, um sicherzustellen, dass jeder genug Zeit hat, um Wasser zu trinken.

Früher waren Sie gläubiger Christ, haben offen über Ihren Glauben gesprochen. Mittlerweile sind Sie zum Islam konvertiert. Warum?

Die Kurzfassung: Meine Frau ist geborene Muslimin. Ihre ganzen Familienmitglieder sind gläubige Moslems. Durch sie und ihre Familie bin ich also zum Islam gekommen, habe mehr und mehr über die Religion, die Praktiken, den Koran, das Leben von Mohammed und wofür die Religion wirklich steht, gelernt. In den westlichen Medien ist es oft ein bisschen schwierig, wenn man über dieses Thema spricht, weil es doch eher einen negativen Grundton gibt, wann immer es um den Islam geht. Aber ich würde es jedem ans Herz legen, sich näher damit zu beschäftigen, darüber wie ähnlich sich Christentum und Islam eigentlich sind. Die meisten Leuten wissen zum Beispiel nicht mal, dass Jesus im Islam auch eine sehr große Rolle spielt. Wie gesagt: Dadurch, dass mir durch das Leben mit meiner Frau und ihrer Familie der Islam nähergebracht wurde, habe ich mich dazu entschieden, zu konvertieren und stehe voll und ganz dahinter.

Auf dem Oberarm haben Sie ein Tattoo von Erzengel Michael, auf dem Unterarm eines von der Mutter Maria. Wie reagieren die Araber darauf?

Viele Menschen denken, dass wenn man nach Saudi-Arabien kommt und in T-Shirt und Shorts rumläuft, die Polizei kommt und einen abführt. Das ist absoluter Schwachsinn. Ich kann ohne Probleme in Shorts und T-Shirt rumlaufen und meine Tattoos offen zeigen. Die Leute sind eher fasziniert davon, als dass sie einen dafür abstempeln. Viele wollen das näher sehen, es fasziniert sie, wie Tattoos funktionieren. Im Großen und Ganzen sind die Leute positiv und haben uns gut integrieren lassen.

Die Menschenrechtslage wird kritisch gesehen, zudem gibt es Vorwürfe des sogenannten Sportswashing. Wie erleben Sie das?

Ich kann nur von meiner persönlichen Erfahrung berichten. Ich würde jedem empfehlen, nach Saudi-Arabien zu reisen und sich das Ganze vor Ort anzusehen. Ich hatte zuletzt auch einen deutschen Journalisten zu Besuch. Er hat eine kleine Reportage über Saudi-Arabien vorbereitet. Er war auch sehr positiv überrascht.

Wovon?

Zum einen darüber, wie einfach es ist, als deutscher Staatsbürger ein Visum zu bekommen: Man kann das online beantragen. Und zum anderen, wie zuvorkommend die Leute sind, wie stolz sie auf ihr Land sind und den Ausländern dies sowie die Kultur näher bringen möchten. Zu allem anderen, was gerne im Westen berichtet wird, mit der Menschenrechtslage beispielsweise, kann ich nicht viel sagen. Egal, wo ich war in diesem Land, wurde ich äußerst freundlich behandelt. Ich bin einigermaßen rumgekommen und lebe nicht in einer Bubble, so wie das gerne berichtet wird über Profifußballer. Da heißt es oft, dass man ja eh nur zuhause ist, ins Training geht und wieder zurückfährt sowie alles auf einem goldenen Tablet serviert bekommt. So ist das gar nicht. Ich unterhalte mich oft mit Leuten, auch mit denen, die nichts mit dem Fußball zu tun haben. Das Land befindet sich seit fünf, sechs Jahren in einer Transformation. Das merkt man auf jeden Fall.

Interview: Philipp Kessler

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