München – Das positive Gemüt kann einer Anne Haug niemand so schnell nehmen. Die Weltklasse-Triathletin aus Bayreuth ist nicht nur mit einer besonderen Ausdauer gesegnet, sondern fast immer gute Laune, die auch vor ihrem wichtigsten Rennen der Saison anhält. „Die Insel war immer nett zu mir, hat mir immer eine Medaille beschert“, sagt eine der Topfavoritinnen beim Ironman Hawaii (Samstag 18.25 Uhr MESZ/HR und sportschau.de). Unter den 55 Profis für die 3,86 Kilometer Schwimmen im aufgewühlten Pazifik, 180,2 Kilometer Radfahren durch die windanfälligen Lavafelder und 42,195 Kilometer Laufen über den flirrenden Asphalt hegt die zähe Oberfränkin durchaus Ambitionen auf die WM-Krone, nachdem sie 2019 vor der Corona-Pandemie als erste deutsche Frau gemeinsam mit Jan Frodeno bei den Männern triumphierte, im Vorjahr immerhin starke Dritte war.
Diesmal kommt die 40-Jährige mit der Empfehlung von drei Siegen bei drei Veranstaltern (Ironman 70.3 Lanzarote, Challenge Gran Canaria, PTO European Open) – und einer famosen Zeit als Zweitplatzierte bei der Traditionsveranstaltung Challenge Roth aus dem Sommer. Doch Garantien gibt es gerade auf Big Island für keine der Großen. „Um eine Weltmeisterschaft zu gewinnen, da muss einfach noch das Quäntchen Glück dazukommen. Da müssen einem die Hawaii-Götter gnädig sein.“ Ans Aufhören denkt sie übrigens noch gar nicht. „Ich merke, dass ich mich noch jedes Jahr überraschen kann.“
Zweite deutsche Topathletin ist Laura Philipp, die nur wegen einer umstrittenen Zweitstrafe im Vorjahr einen Podiumsplatz als Vierte verpasste. Die seit vier Wochen vor Ort trainierende 36-Jährige spürt, dass vieles anders, weil völlig neu ist: Erstmals haben die Frauen das Triathlon-Mekka ganz alleine für sich. „Es fühlt sich komisch an, da muss ich ehrlich sein“, bekundete die zweifache Europameisterin. Trotzdem will die Mannheimerin das Rennen „mit schönen, positiven Gefühlen“ hinter sich bringen. Auch die Darmstädterin Daniela Bleymehl will nach einigen Rückschlägen zeigen, was in ihr steckt.
Viele sagen, die World Triathlon Corporation (WTC) habe mit der Aufteilung der Männer und Frauen-Wettkämpfe im Wechselspiel zwischen Hawaii und Nizza bis mindestens 2026 ein Mythos zerstört. Und diese Kritik ist nachvollziehbar, weil das 1978 erschaffene Highlight der Langdistanz allein aus Profitgründen seines Wesenskerns beraubt wurde. Hintergrund: So können aus den Altersklassen schlicht noch mehr Teilnehmer gelockt werden, die nach erfolgter Qualifikation für eine Weltmeisterschaft eine vierstellige Startgebühr blechen. Diesmal sind es rund 2100 Triathletinnen aus 73 Nationen.
Niemand weiß so recht, wie sich das weibliche Solo anfühlt, denn solche Ausdauerevents leben eigentlich vom Spirit, dass beide Geschlechter gemeinsam die Herausforderung meistern. Die fünfmalige Hawaii-Siegerin Daniela Ryf, die in diesem Jahr trotz ihres eindrucksvollen Triumphes in Roth als Wundertüte gilt, sagt: „Ich werde die Jungs ein bisschen vermissen. Das wird die Renndynamik verändern – und die Vibes vor dem Start.“ Die 36-jährige Schweizerin ist vom neuen Format nicht überzeugt.
2024 gehört die Insel und vor allem Kailua-Kona mit seinen 23 000 Einwohnern wieder ganz den „Eisenmännern“, während die Frauen an die französische Mittelmeerküste ausweichen. Das Problem ist hausgemacht, weil die Organisatoren schlicht die infrastrukturellen Voraussetzungen negierten. Im vergangenen Jahr strömten zu diesem Zeitpunkt 5500 Triathleten und Triathletinnen mit deren Begleitpersonal nach Hawaii, um binnen drei Tagen beide Rennen abzuhalten. Heraus kamen chaotische Verhältnisse. Nicht nur die Unterkünfte waren exorbitant teuer, sondern in einigen Supermärkten gab es zeitweise kein Wasser und keine Nudeln mehr zu kaufen. Sogar Bezirksbürgermeister Mitch Roth schlug Alarm.
Doch anstatt die Teilnehmerfelder einfach wieder zu reduzieren, beschloss der von einem amerikanischen Finanzinvestor gelenkte Veranstalter unter einem Aufschrei der Empörung die Zweiteilung, weshalb sich vor einem Monat der erst 22 Jahre alte Franzose Sam Laidlow bei seinem Heimspiel in Nizza zum Ironman-Weltmeister krönte. Der Deutsche Patrick Lange, der nach bravourösem Wettkampf immerhin Zweiter wurde, erklärte danach, „dass dieses Rennen nach Hawaii gehört“. Mit der Verlegung an die Côte d’Azur habe er sich nur notgedrungen angefreundet. Der 37-Jährige, der kommende Woche nun beim Ironman Portugal-Cascais startet, wird etwas wehmütig die Fernsehbilder betrachten, wenn auf Hawaii in aller Herrgottsfrühe in der Bucht der traditionelle Startschuss aus einer altertümlichen Kanone ertönt.