München – In den vergangenen Tagen hat der Körper bei Chris Babb sein Recht eingefordert. Fast aus dem Nichts schlief der Basketball-Profi immer wieder ein. „Mein Körper“, so sagt er, „ist völlig ausgelaugt.“ Auch nach mehr als einer Woche ist das noch so. So lange ist es her, dass dem Bruder von Bayern-Basketballer Nick Weiler-Babb die Flucht aus Israel gelang.
Die Bilder könnten derweil präsenter nicht sein. Von jenem frühen Samstagmorgen, als ihn in seiner Wohnung in Herzlia die Sirenen des Luftalarms aus dem Schlaf rissen. Der 33-Jährige griff zum Computer. Die Nachrichtenmedien füllten sich schnell mit Bildern des Horrors: „Überall das Gleiche, überall Raketen, Palästinenser, die Hamas.“ Ein Freund und ehemaliger Teamkollege bestätigte Babb, was ihm ohnehin längst klar geworden war: „Das ist sehr, sehr ernst.“
Es war der Beginn von Stunden der Ungewissheit. Zwar versicherten ihm Israelis aus seinem Umfeld, dass man in dem Nobelort nördlich von Tel Aviv halbwegs sicher wäre. Doch Sicherheit fühlt sich relativ an, wenn Sirenengeheul und Detonationen den Tag bestimmen.
Wenn es etwas gab, was Babb in den „schlimmsten Stunden meines Lebens“ erleichterte, dann war es die Tatsache, dass seine Freundin und seine kleine Tochter im fernen San Francisco waren. Und auch sein Club Bnei Herzlia reagierte schnell. Man fragte ihn, ob er das Land verlassen will. Babbs amerikanische Teamkollegen wurden auf Zypern untergebracht. Er wollte weiter, er wollte nach München.
Und obwohl die Fluglinien bereits ihren Betrieb massiv reduzierten, wurde der Verein für den folgenden Nachmittag fündig. Babb packte seinen Hausstand aus immerhin bereits zwei Spielzeiten in Herzlia in die Taschen und Koffer, die er hatte. Was übrig ist, „das ist ersetzbar.“ Hauptsache weg“.
Wobei vor dem weg eine Nacht in Angst stand. „Gerade als Ausländer weißt du ja nicht, wie das alles einzuschätzen ist. Wie du dich verhalten sollst“, sagt er. Auf „zwei bis drei Stunden“ Schlaf mag er es gebracht haben. Im Konzert der Sirenen und der Detonationen der, vom Abwehrsystem „Iron Dome“ abgefangenen Raketen.
Tags darauf eilte er zur Mittagszeit zum nur wenige Autominuten entfernten Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv. Und dort liefen die Dinge weitaus glatter als befürchtet. Am späten Nachmittag hob sein Flugzeug ab. Wobei ihm der Umstand half, dass eine junge Israelin mit einem wenige Monate alten Kind neben ihm saß. Der schwer aufgelösten Frau beizustehen, „hat meinen Fokus von mir selbst weggenommen“. Als die Maschine ihre Reiseflughöhe erreicht hatte, merkte Babb auch selbst, wie die Angst wich.
Und nun? Hält er sich bei den Bayern fit. Und wartet im Haus seines Bruders Nick auf die Dinge, die nun kommen mögen. Eine Entscheidung, ob sein Club zumindest im internationalen Wettbewerb, dem FIBA-Europe-Cup weitermacht, steht noch aus. Momentan ist auch das für ihn schwer vorstellbar. Er versucht, bestmöglich Kontakt zu seinen Teamkollegen zu halten – ein israelischer Mitspieler wurde sogar in die Armee einberufen. „Es ist ein Horror, den sie dort erleben“, sagt Chris Babb.
Auch ihm fällt es schwer, ernsthaft an Basketball zu denken – vor zehn Tagen noch Beruf und Berufung für ihn. Fürs Erste versucht er nur zu genießen, dass er bei seinem Bruder in München sein kann: „Ich hatte Glück.“