München – Martina Demmel kennt Abstürze unterschiedlichster Art. Die schöne Sorte erlebte die Kletterin diesen Samstag in Augsburg: Bei den Deutschen Meisterschaften im Lead, Klettern am Seil, bekommt sie den obersten Griff der Route nicht richtig zu packen. Sie fällt ins Seil, das sie nach einem kurzen freien Fall sanft auffängt, und strahlt noch auf dem Weg Richtung Boden. Die Böbingerin weiß, dass ihr gerade etwas Gutes gelungen ist. Am Ende reicht es für den Titel, ihren zweiten nach 2021.
„Es ist unvorstellbar, wie die Saison gelaufen ist. Sie so nun abzuschließen ist fast schon zu perfekt“, sagt sie zu unserer Zeitung. Damit spielt die 21-Jährige auf einen anderen Absturz an. Vergangenen Dezember stürzte sie in Tirol „relativ hart am Fels“, wie sie beschreibt: „Von weit oben mit viel Seilreibung und dann bin ich ziemlich gegen die Wand geknallt.“ Ihr Kahnbein brach, ein Knochen in der Handwurzel. Vier Monate pausierte sie und rechnete kaum mehr mit einer vernünftigen Saison.
Es kam anders: Im Weltcup kletterte die Athletin der DAV Sektion Allgäu-Kempten regelmäßig ins Halbfinale, einmal sogar ins Finale der besten Acht. „Ziemlich unerwartet“ sei das gewesen meint sie, doch es zeigt, dass sie in der erweiterten Weltspitze angekommen ist. Obwohl sie erst mit 15 mit dem Klettern anfing, lange ohne Trainingsplan arbeitete und keinen Hehl daraus macht, dass der Fels – wo sie mit schwierigsten Routen für Aufsehen sorgt – für sie die größere Leidenschaft ist. „Dafür werde ich immer brennen, Wettkampfklettern ist gerade eine spannende Phase“, ordnet sie ein. Eine Phase, die dennoch nun „Priorität“ sei. Seit 2022 ist sie im Spitzensportprogramm der bayerischen Polizei, kann dadurch den Großteil ihrer Zeit dem Sport widmen.
Dies geschah auf dem Weg zurück nach der Verletzung dann erstmals mit einem Trainingsplan. Außerdem arbeitet sie seit einem Jahr mit einem Sportpsychologen. „Bestimmt der Grund, warum dieses Jahr mehr gegangen ist, denn physisch war ich nach der Verletzung natürlich noch nicht topfit“, sagt sie. Die lange Saison zehrte nach der kurzen Vorbereitung an den Kräften. „Ich hätte mir zwischendrin mal Pausen nehmen sollen“, sagt sie. Dass sie nun in Augsburg noch so viel Energie hatte, habe sie selbst überrascht.
Auf die Saisonpause freut sie sich dennoch – und darauf dass mit den nun anstehenden Ausbildungsblock bei der Polizei mal nicht das Klettern im Vordergrund steht: „Das tut mir auch mal ganz gut.“
Im Kopf ist der Sport natürlich trotzdem. Für den Februar ist ein Trip an den Fels in Spanien geplant. „Ich brauche das einfach. Es hält meine Motivation hoch“, sagt sie. Die jüngsten Ergebnisse dürften einen ähnlichen Effekt haben. „Auf jeden Fall bin ich gespannt, was möglich ist, wenn ich ohne Verletzung im Winter gut trainiere“, sagt Demmel. Womöglich nicht nur sie, sondern auch die Konkurrenz. THOMAS JENSEN