München – Er war bekannt dafür, abzutauchen, bis die gegnerischen Verteidiger ihn vergessen hatten – um dann im entscheidenden Moment zuzuschlagen: Roy Makaay (48) stürmte vier Jahre lang für den FC Bayern. Während sich sein Ex-Verein ab dem Topspiel in Mainz am Samstag (18.30 Uhr) im heißen Herbst befindet, tritt er im November mit anderen FC-Bayern-Legenden beim „Telekom Star-Kick“ an. Gute Stürmer werden in jedem Team gebraucht, sagt er im Interview.
Herr Makaay, am 5. November laufen Sie beim Telekom Star-Kick in Bonn auf. Juckt es Ihnen noch immer in den Füßen?
Der Vorteil beim Hallenfußball ist, dass die Distanzen nicht so groß sind (lacht). Wir haben mit den Legenden schon das Wembley-Spiel gegen Dortmund und in London gegen Chelsea gespielt, das hat Lust auf mehr gemacht. Jetzt habe ich zum Glück noch einen Monat, um etwas fitter zu werden.
Die Erlöse des Spiels gehen an den guten Zweck, außerdem sollen Bodycams beim Schiri und den Spielern für besondere Eindrücke sorgen. Braucht der Fußball Innovationen, um die jungen Zuschauer zu erreichen?
Es wird lustig zu hören, wie Spieler und Schiri miteinander reden. Ich habe noch nie mit einer Bodycam gespielt, das wird bestimmt spannend. Bei richtigen Spielen geht das aber natürlich nicht: Man kann in der Bundesliga keinen Ball mit der Brust annehmen, wenn da eine Kamera hängt. Die Kings League von Gerard Piqué in Spanien (eine Fußballliga mit veränderten Regeln, die auf Twitch gestreamt wird, Anm. d. Red.) hat aber gezeigt, dass Erneuerungen im Fußball bei den jungen Fans gut ankommen. Beim Finale war dort das Camp Nou ausverkauft. Es ist gut, dass wir solche Innovationen auch in Deutschland ausprobieren.
Zu Ihrem Karriereende 2010 ist der Mittelstürmer etwas außer Mode geraten. Wie wichtig ist der klassische Mittelstürmer heutzutage?
Enorm wichtig. Man muss sich nur die großen Mannschaften angucken: Mit Benzema, Lewandowski und Haaland hatten alle erfolgreichen Teams der letzten Jahre immer einen richtigen Neuner. Und es hilft enorm zu wissen, dass auch bei gegnerischem Druck vorne jemand ist, den man anspielen kann und der die Dinger reinmacht. Zum Glück hat der FC Bayern …
… seit diesem Sommer auch wieder eine echte Neun: Harry Kane ist als Rekordtransfer nach München gewechselt, genau wie Sie vor 20 Jahren.
So ein Spieler hat Bayern letztes Jahr gefehlt. Man sieht sofort, was er für einen Unterschied ausmacht!
Kane ist dafür bekannt, aktiv am Spiel teilzunehmen und viele Bälle zu fordern. Sie hingegen hatten oft minutenlang keinen Ballkontakt, um dann plötzlich vorm Tor aufzutauchen. Welche Spielweise ist zeitgemäßer?
Am Ende ist die wichtigste Aufgabe eines Stürmers, Tore zu schießen. Das hat in meiner Zeit ziemlich gut geklappt. Auch Harry Kane hat bei Tottenham jahrelang mindestens 20 Treffer erzielt, oft sogar mehr. Das wird er auch beim FC Bayern machen – und darauf kommt es an. Alles Weitere muss man an den Gegner anpassen.
Inwiefern?
In Kopenhagen war er komplett vorne in der Spitze, gegen Leipzig hat er sich oft ins Mittelfeld fallen lassen. Da kann er seine Qualitäten ausspielen, die ihn schon bei Tottenham stark gemacht haben: So wie er damals mit Heung-min Son kombiniert hat, wird er Sané, Gnabry oder Coman in Szene setzen.
Nicht alle Teams pressen so hoch wie Leipzig.
Die meisten Gegner stehen gegen Bayern tief und kompakt. Da braucht man einen, der bei jeder Flanke im Strafraum steht. Darauf kommt es für einen Mittelstürmer an: Da sein, auch wenn es spielerisch nicht läuft.
Im Sommer haben Sie den FC Bayern World Squad mit 23 Talenten aus 18 Ländern trainiert. Woran erkennt man, ob ein Spieler das Zeug zum Topstürmer hat?
Das muss er über Jahre zeigen und sich mit vielen Toren beweisen. Und man muss mutig sein: Wenn alle sagen, dass der Ball an den ersten Pfosten kommt, der Stürmer aber am zweiten wartet und den Treffer erzielt, hat er das Zeug zum Topstürmer.
Kann man einen Torriecher trainieren?
Nein!
Wirklich nicht?
Entweder man hat ihn oder nicht. Beidfüßigkeit, Kopfballspiel, all das kann man sich erarbeiten. Aber im richtigen Moment an der richtigen Stelle zu stehen, kann man nicht trainieren. Sonst könnte man aus jedem talentierten Angreifer einen Weltklassestürmer formen – so einfach ist es leider nicht.
Beim FC Bayern gibt es in Mathys Tel einen jungen Angreifer …
… den genau das auszeichnet! Seine Torstatistiken sind überragend. Er ist ein großes Talent und erst 18 Jahre alt. So gut, wie er dieses Jahr schon spielt, wird er sich in den nächsten Jahren zu einem Topstürmer entwickeln. Er kann den FC Bayern zusammen mit Jamal Musiala jahrelang prägen.
Wie hat sich der Fußball seit Ihrer Zeit verändert?
Auch wir hatten schon alle drei Tage ein Spiel, im Sommer gab es aber ein paar Wochen Urlaub. Jetzt müssen Spieler nach der Saison noch in die Nations League oder zum Gold Cup. Es wird immer mehr. Manche Profis haben nach der Saison nur eine Woche Urlaub, dann geht die Vorbereitung wieder los. Dadurch gibt es kaum Erholung und mehr Verletzungen. Man muss aufpassen, dass die Spieler nicht kaputtgehen.
In Turnierjahren gibt es noch weniger Pause. Wie blicken Sie auf die EM?
Es sind noch acht Monate, die Euphorie wird sich ab nächstem Jahr steigern. Im Jahr 2000 habe ich die EM in Holland gespielt und es hat auch etwas gedauert, bis das Land in Turnierstimmung gekommen ist. Jetzt muss erst mal die Qualifikation gespielt werden, damit die Fans wissen, wer dabei ist. Der Rest kommt dann von allein.
Interview: Vinzent Tschirpke