München – Als Danny da Costa sich vor vier Jahren selbst interviewte, ging sein Video viral. Und auch das Gespräch, das der Mainzer Abwehrspieler vor dem Topspiel an diesem Samstag (18.30 Uhr) gegen den FC Bayern führt, ist durchaus launig. In der Tabelle sieht es für das Team des 30-Jährigen aktuell nicht gut aus – aber da Costa bleibt nicht nur positiv, sondern hat sich trotz Platz 17 auch seinen Humor bewahrt.
Herr da Costa, welche Frage würden Sie sich in dieser Länderspielpause selber stellen?
Ob ich die Pause genutzt hätte zum Kraft tanken.
Und die Antwort wäre?
Ja. Da bin ich auch ganz froh drum, diese Zeit einfach mal wieder zu haben. Aber es kann jetzt auch gerne wieder losgehen.
Christian Heidel sagt trotz Tabellenplatz 17, die Mainzer Mannschaft sei „selbstkritisch, fokussiert und voller Energie.“
Und das trifft zu. Es ist niemand zufrieden damit, wie es bislang gelaufen ist. Wir hatten uns alle etwas anderes erhofft, aber man hat im Training – und in den letzten zwei, drei Wochen extrem – gemerkt, dass wir drauf und dran sind, das Ding zu unseren Gunsten zu kippen.
Die Frage aller Fragen: Kommt Bayern zur Unzeit – oder gerade richtig?
Unsere Sicht auf die Frage ist vielleicht anders als bei anderen Gegnern, denn die letzten Bundesliga-Heimspiele gegen die Bayern liefen gar nicht so verkehrt (lacht). Aber Bayern ist in jeder Situation ein schwieriger Gegner. Deshalb kann man eigentlich immer verhältnismäßig entspannt in diese Spiele gehen. Es erwartet kaum einer etwas von einem, man hat nicht viel zu verlieren. Mit Blick auf die Tabelle würden uns drei Punkte mehr als guttun, aber das wäre jetzt gegen jeden Gegner der Fall. Es gibt keinen zusätzlichen Druck, weil es der FC Bayern ist.
Bleiben wir mal bei den positiven Aspekten: Wussten Sie, dass der FC Bayern der Gegner ist, gegen den Sie am häufigsten in Ihrer Karriere gespielt haben?
Tatsächlich nicht. Aber wenn ich überlege: Ich habe wirklich schon oft gegen sie gespielt.
15 Mal, dabei gab es immerhin vier Siege.
… gegen einen fünften hätte ich nichts einzuwenden.
Außerdem haben Sie Bayern schon zwei Mal richtig wehgetan: Im Pokalfinale mit Frankfurt – und in der Rückrunde der Bundesliga.
Der Pokalsieg müsste sogar mein erster Sieg gegen die Bayern gewesen sein. Ich habe einige positive Erfahrungen gegen die Bayern, das kann ja nicht schaden. Zuletzt haben wir es oft geschafft, ein gutes Spiel zu machen, während den Bayern nicht immer alles gelungen ist. Wir haben zwei der letzten drei Liga-Heimspiele gegen Bayern gewonnen. Deshalb glaube ich, dass sie auch nicht so erfreut sind, jetzt bei uns spielen zu müssen.
Hat Mainz nicht auch noch ein großes Dankeschön vom FC Bayern verdient?
Bis jetzt kam noch nichts. Aber ich befürchte, dass sie uns die Punkte nicht freiwillig da lassen werden. Auch wenn es nett wäre (lacht).
Was war das für eine paradoxe Situation am letzten Spieltag der Vorsaison? Ganz Fußball-Deutschland war für Dortmund – und Mainz macht dem BVB die Meisterschaft kaputt.
Im ersten Moment war es ein komisches Gefühl. Man hatte mitbekommen, dass jeder fest eingeplant hatte, dass die Serie der Bayern gebrochen und der BVB Meister wird. Es passte ja auch alles zusammen: Bei uns lief es eigentlich nicht so gut, der BVB hingegen schien bereit. Trotzdem mussten wir unseren Job machen, das gebietet die Integrität des Wettbewerbs. Im Nachgang haben wir uns Einiges anhören müssen.
Gab es böse Nachrichten?
Das Interessante war, dass ich, obwohl ich verletzt war, Hassnachrichten bekommen habe. Mit dem Tenor: Wie könnt ihr Euch das Recht rausnehmen, so ein Spiel zu liefern, obwohl jeder wollte, dass der BVB gewinnt? Ich kann solche Emotionen aus Fan-Sicht verstehen – aber Wettbewerbsverzerrung einzufordern ist doch Unsinn. So leid es mir für den BVB tat: Es gehört dazu im Fußball, dass man nicht gewinnt, wenn das andere Team an dem Tag besser spielt.
Die Bayern haben seitdem einen Umbruch vollzogen. Treffen Sie nun auf andere Bayern als beim letzten Mainzer Bundeliga-Sieg vor einem halben Jahr?
Für uns Gegner ändert sich rein objektiv betrachtet nicht viel. Gegen Bayern spielt so gut wie jeder Bundesligist als Underdog. Natürlich hatten sie jetzt mehr Zeit, die Spielidee von Thomas Tuchel zu verinnerlichen. An dem Gefühl, das man vor und während des Spiels gegen die Bayern hat, hat sich aber sowieso seit Jahren nichts geändert.
Ist das ein anderes Gefühl als in Partien gegen andere Topmannschaften? Gegen Leverkusen haben Sie ja schon gespielt.
Es ist allein aufgrund ihrer Konstanz etwas Besonderes. Wenn man sich in Europa mal umschaut, findet man kaum ein Team, das über einen so langen Zeitraum eine Liga dominiert, wie es der FC Bayern zuletzt getan hat. Natürlich gibt es Teams wie Leverkusen, Dortmund und Leipzig, die den Anspruch haben, um die Meisterschaft mitzuspielen. Aber für den Moment hat der FC Bayern eine Ausnahmestellung.
Ist Leverkusen für Sie – als Ex-Leverkusener – ein Titelaspirant?
Da muss ich zitieren, was auch die Leverkusener nach der Partie gegen uns gesagt haben: Dass sie sich selten so schwergetan und dann trotzdem 3:0 gewonnen haben. Auch für uns hat sich das auf dem Platz völlig falsch angefühlt, wir waren auf Augenhöhe. Darüber hinaus aber habe ich viele Spiele von Leverkusen gesehen und muss sagen, dass sie in diesem Jahr sehr gefestigt wirken.
Eine Gefahr für Bayern?
Für die Liga und Deutschland wäre es schön, wenn Leverkusen das Level halten kann. Sie sind dominant, es macht Spaß, ihnen zuzusehen. Ob es am Ende für die Meisterschaft reicht, ist schwer zu sagen. Es gab schon andere Teams, die mal einen guten Saisonstart hatten, gute Phasen. Aber der Unterschied war immer, dass es der FC Bayern schafft, über 34 Spieltage hinweg am Ende doch die Nase vorn zu haben.
Immerhin spielt Mainz nicht am letzten Spieltag in Leverkusen.
Da können wir zumindest nicht zum Party-Crasher werden (lacht).
Tuchel kann also auch nicht auf Schützenhilfe hoffen. Apropos: In München würde eine anhaltende Negativserie sofort zur Trainerdiskussion führen. Ist das ein Standort-Vorteil von Mainz 05 oder ist es einfach bedingungsloses Vertrauen in Bo Svensson?
Ich bin generell ein Befürworter davon, einen Trainer nicht gleich bei der ersten Krise über Bord zu werfen. Und es hängt an den Spielern, das umzusetzen, was er uns vorbereitet hat. Es ist nicht immer zwingend der Trainer der Schuldige. Man sieht auch an anderen Vereinen, dass Kontinuität über kurz oder lang Erfolg mit sich bringt. So lange man das Gefühl hat, Trainer und Mannschaft erreichen sich komplett, es wird an einem Strang gezogen, sehe ich keinen Grund, den Trainer infrage zu stellen. So ist es bei uns.
Svensson wird als „Bruder im Geiste“ von Thomas Tuchel bezeichnet. Steht ihm also eine ähnlich große Karriere bevor?
Wünschen würde ich sie ihm auf jeden Fall. Und zutrauen auch. Aber es ist bei Trainern wie bei Spielern: Man muss zur richtigen Zeit liefern und hoffen, dass der richtige Verein auf einen zukommt. Außerdem ist er bei uns ganz gut aufgehoben (lacht).
Er sagt, man könne „Stärke aus Überwindung dieses Tiefs“ ziehen. Braucht es diesen Aha-Moment – und alles würde laufen?
Ich glaube schon, dass mit einem Sieg auch eine Last abfallen würde. Man hätte dann das Gefühl, endlich für das belohnt zu werden, was man Woche für Woche macht. Es ist ja nicht so, als würden wir nicht schuften, im Gegenteil. Einmal diesen Ertrag zu haben, würde uns schon helfen. Aber ich glaube, es wäre zu einfach, zu sagen, man bräuchte nur diesen einen Aha-Moment. Dafür laufen wir einem Sieg schon zu lange hinterher.
Wäre es eigentlich ein Unterschied für Mainz gewesen, wenn Manuel Neuer bei Bayern sein Comeback hätte geben können?
Es hätte den Fokus noch mal von uns weggenommen, weil sich alle auf ihn gestürzt hätten. Geschadet hätte uns das nicht.
Welche Frage wollen Sie sich selbst am Samstag nach Schlusspfiff stellen?
Ob ich sehr erleichtert bin nach dem Sieg über die Bayern (lacht).
Interview: Hanna Raif