Mainz – Thomas Tuchel (50) hatte nach dem 3:1 (2:1) seiner Bayern in Mainz spürbar gute Laune. Regelrecht euphorisiert verließ der Münchner Cheftrainer seinen Interviewposten beim TV-Sender Sky, und joggte in die Katakomben der MEWA-Arena – wo er in einem unbeobachteten Moment zu einem kleinen Freudensprung ansetzte. „Den Sieg kann man heute nicht hoch genug bewerten. Es war ein sehr anspruchsvolles Match für uns – vor allem physisch nach den Länderspielen und den Blessuren. Die Mannschaft verdient sich ein großes Lob“, schwärmte Tuchel überschwänglich von seinem Team.
Den Worten gingen Taten des Fußballlehrers voraus, er klatschte auf dem Rasen intensiv mit jedem einzelnen Spieler ab. Leroy Sané (27), der den Treffer von Kingsley Coman (27) zum 1:0 nach elf Minuten vorbereitet hatte, bekam sogar eine väterliche Watschn mit auf den Weg in die Kabine. „Das war ein liebevoller Tätschler, gut gemeint, er nimmt mir das nicht krumm“, erklärte Tuchel. Sonderlob gab es ebenfalls für Leon Goretzka (28), der das 2:0 von Harry Kane (30) nach einer guten Viertelstunde per Kopf vorbereitet – und später mit seinem Treffer zum 3:1 für die Vorentscheidung gesorgt hatte. „Leon hat sehr gut gegen Freiburg gespielt und heute wieder. Er hat sehr gut trainiert und das heute auch im Spiel gezeigt“, lobte der Coach seinen Mittelfeldspieler.
Tuchel, der in der bisherigen Saison nicht mit Spieler-Schelten geizte, setzt nun augenscheinlich auf einen Kuschelkurs. In der Chefetage des deutschen Rekordmeisters dürfte man diese Charme-Offensive mit Wohlwollen registriert haben. Denn: Nach Informationen unserer Zeitung fürchtete man an der Säbener Straße in den vergangenen Wochen, dass die Stars nicht mehr für ihren Trainer durchs Feuer gehen würden. Das soll einerseits an Tuchels Art der Mannschaftsführung und andererseits an seinen Äußerungen zum Ist-Zustand des Kaders liegen.
Auch deshalb sah sich Ehrenpräsident Uli Hoeneß gezwungen, die Qualität der Mannschaft in einem RTL-Interview während der Länderspielpause explizit hervorzuheben: „Ich lasse nicht mein eigenes Team schlecht aussehen, indem ich sage, wir sind zu dünn besetzt, wir sind dies, wir sind jenes. Wenn Sie jedes Wochenende sehen, was wir auf der Bank sitzen haben, nur Nationalspieler, dann haben wir keinen dünnen Kader.“
Interessant: Noch am Freitag soll es laut Sky eine Aussprache zwischen Hoeneß und Tuchel an der Säbener Straße gegeben haben. Tags darauf sagte der Bayern-Trainer vor den TV-Kameras: „Ich habe das mitbekommen, auch was daraus gemacht wurde, und habe mir genau angehört, was er gesagt hat. Mit Uli ist alles gut.“ Tuchel wisse, was der Ehrenpräsident gemeint hätte, „ich spreche ja sehr oft an der Säbener Straße direkt mit ihm. Das zählt für mich mehr, als was daraus gemacht wurde. Das darf jeder beurteilen, ich gieße da kein Öl ins Feuer. Wir haben einige Verletzte, aber trotzdem eine Mannschaft auf dem Platz, die gewinnen kann.“
So, wie das in Mainz der Fall war. Und wie es bestenfalls auch in der Champions League am Dienstag auswärts gegen Galatasaray Istanbul (18.45 Uhr, Amazon Prime Video) der Fall sein soll. „Wir versuchen, nachzulegen“, kündigte Tuchel bereits an. Im Erfolgsfall wird er seinen Kuschelkurs beibehalten.