München – Der gemütliche rote Jogger war gestern angesagt, nicht der feine Zwirn. Das ungewohnte Reise-Outfit des FC Bayern-Trosses war den Mitreisenden zwar herzlich egal, aber irgendwie auch zutreffend. Denn nach Abzug der Verletzten und der Rückkehr von Noussair Mazraoui standen gestern 18 Spieler im Rumpfkader der Münchner, die sich zum dritten Champions-League-Gruppenspiel in die Türkei aufmachten. Frei nach Schlagerbarde Jürgen Milski: „Heute fahren die 18 bis nach Istanbul.“ Mehr Jogginghosen-Atmosphäre geht vermutlich nicht. Auch die Stimmung war bei Thomas Müller & Co. ähnlich gut. Mit nichts außer einem Sieg bei Galatasaray Istanbul im Gepäck will man am Mittwochmittag wieder in München landen.
Blickt man auf die reine Statistik, stehen die Vorzeichen dafür gut. Noch nie hat der türkische Rekordmeister, aktuell als Zweiter der Gruppe A erster Bayern-Verfolger, ein Champions-League-Heimspiel gegen einen deutschen Gegner gewonnen. Und trotzdem blieben die Bayern nach dem Abschlusstraining gestern, ganz in Weiß und im schönen Münchner Herbst, bei sich. Gründe dafür gibt es mit Blick auf die Verletztenliste schon seit Wochen genug, seit dem „geilen“ 3:1 in Mainz (Tuchel) am Samstag aber noch mehr. Der Ausfall von Leon Goretzka (Hand-OP) tat weh und wird Tuchel wohl auch zu einer Systemumstellung zwingen. Denn wie erwartet traten Dayot Upamecano und Raphael Guerreiro die Reise an den Bosporus nicht an und arbeiteten stattdessen individuell an ihrem Comeback. Und auch für Serge Gnabry, der bei der Abschlusseinheit mit dem Team trainierte, kommt das Spiel zu früh. Immerhin: Noussair Mazraoui steht erstmals nach seiner Verletzung bei der marokkanischen Nationalmannschaft und den heftig kritisierten Pro-Palästina-Posts wieder im Kader (Tuchel: „Haben versucht, den Regenerationsprozess zu beschleunigen“). In der Maschine TK 3271 waren dennoch nur 18 statt wie erlaubt 21 Spieler.
Die Stimmung war trotzdem gut beim Flug in den Spätsommer, dafür hatte allein der Ausflug nach Mainz gesorgt. „Siege geben einem immer ein gutes Gefühl“, sagte der von Ehefrau Lina begleitete Joshua Kimmich. Er hatte nicht nur Stabilität im Spiel festgestellt, sondern kündigte auch an: „Wir treten mit sehr viel Selbstvertrauen an.“ Das wird nötig sein, denn dass der Rams Park bei Heimspielen einem Hexenkessel gleicht, ist kein Geheimnis. Sven Ulreich hat wie die meisten „noch nie da gespielt, aber ich habe gehört, dass es schwierig ist“. 131,76 Dezibel wurden 2011 im Derby gegen Fenerbahce gemessen, damals Weltrekord. Als Schalke 04 im Jahr 2018 gastierte, ließ Trainer Domenico Tedesco die Schall-Bedingungen sogar vorab im Training simulieren. So weit ging Tuchel nicht: „Wir sind nicht komplett grün hinter den Ohren. Aber es wird eine Herausforderung für uns.“
Viel Zeit für die Vorbereitung bleibt in den drei Englischen Wochen sowieso nicht. Für jeden Einzelnen heißt das: Weiter, immer weiter. Der Kader erlaubt keine große Rotation, daher könne man nur „Regeneration, Regeneration, Regeneration anbieten“, sagte Tuchel. Die womöglich müden Beine ändern aber ohnehin nichts an der Tatsache, dass wir „einfach weitermachen wollen wie bisher“, ergänzte Harry Kane. Und Tuchel, der auf der Pressekonferenz nach der Landung übrigens kein Wort türkisch zum Besten geben konnte („sorry!“), fügte an: „Wir wollen auch nach dem Spiel vor Gala stehen.“
Seit inzwischen 36 Gruppenspielen ist der FC Bayern ungeschlagen, die letzten 15 wurden gewonnen. Die letzte Niederlage – ein 0:3 bei PSG – liegt sechs Jahre zurück. Damals war Schalke 04 Vizemeister – und der FC Bayern reiste noch im feinen Zwirn.