Plötzlich unverzichtbar

von Redaktion

Letzte Woche war de Ligt noch in der Reha, bei seiner Königsklassen-Premiere muss er liefern

München – Ob die Beine wehtun oder gar der Kopf müde ist, wäre nach den ersten 90 Minuten Spielzeit im Anschluss an eine Verletzung eine logische Frage. Für Matthijs de Ligt aber tut sie nichts zur Sache. Der Innenverteidiger des FC Bayern – letzte Woche noch im Aufbautraining, am Samstag 90 Minuten auf dem Platz in Mainz (3:1), gestern auf dem Weg nach Istanbul – ist plötzlich einer der gefragtesten Männer im Kader von Thomas Tuchel. Auf die Frage, ob de Ligt nach knapp einem Monat Pause alle drei Tage Höchstleistungen abrufen könne, antwortete der Coach daher in Mainz auch kurz und knapp: „Er muss!“

Die Debatte um Breite, Tiefe und Ausgewogenheit des Teams ist in den letzten Wochen zu Genüge geführt worden – und eigentlich auch müßig. Denn daran, dass die unter Vertrag stehenden Profis bis zur Winterpause durchziehen müssen, wird sich durch Worte nichts ändern. Zwar sagte de Ligt gestern nach der Ankunft im noblen Istanbuler Hotel „Raffles“: „Man hat als Spieler immer Schmerzen, da muss man durch.“ Aber er machte keine große Sache daraus, ein wunderbares Beispiel im dünnen Bayern-Kader zu sein. Eigentlich wäre der Niederländer jemand aus der von Tuchel viel zitierten „zweiten Ebene“, also einer, den man behutsam aufbauen wollen würde, Pausen inklusive. Weil aber Dayot Upamecano mit einer Muskelverletzung noch einige Zeit fehlen wird, spricht Tuchel nur die Wahrheit aus, wenn er sagt: „Wir haben keine Wahl.“

Dass de Ligt die Situation angenommen hat – und das Beste draus machen will – hat man schon in Mainz gesehen. Der 24-Jährige präsentierte sich in seinem ersten (!) Startelfeinsatz der laufenden Saison stabil, leistete sich keine groben Aussetzer. Bei einer riskanten Grätsche gegen Leandro Barreiro allerdings merkte er, dass in den Beinen noch einige Körner fehlen. „Hätte ich mehr Rhythmus, hätte ich keine Gelbe Karte, aber den Ball bekommen“, gab er hinterher selbstkritisch zu. In Istanbul soll im erst dritten gemeinsamen Einsatz mit Minjae Kim der nächste Schritt folgen. De Ligt ist sich sicher, „dass ich jetzt durch Spiele einen sehr guten Rhythmus finden kann“. Der Saisonstart sei „nicht einfach“ gewesen, nun aber will er „der Mannschaft helfen“

Ohnehin hätten viele vor der Saison darauf gewettet, dass das Duo die Stamm-Innenverteidigung bilden würde. Weil de Ligt in der Vorbereitung aber mit dem eigenen Körper zu kämpfen hatte und Tuchel seine Vorliebe für Upamecano entdeckte, gleicht die Spielzeit für de Ligt bisher einer Achterbahnfahrt. Ein Dauerbrenner wie in der vergangenen Saison, wo er in sieben von zehn Champions-League-Spielen begann, ist der noch lange nicht, im Gegenteil. Wenn heute Abend (18.45 Uhr) im Rams Park der Anpfiff erklingt, ist das de Ligts Königsklassen-Premiere 2023/24. Allein der Fakt dürfte die müden Beine beflügeln.  hlr, bok

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