Eiskalt im Hexenkessel

von Redaktion

3:1 – Bayern trotzt der heißen Istanbul-Atmosphäre und schlägt gnadenlos zu

VON JOSE CARLOS MENZEL LOPEZ UND HANNA RAIF

Istanbul – Thomas Tuchel schätzt ja den Begriff Resilienz, was so viel wie Widerstandsfähigkeit bedeutet. Nun gut, seine Mannschaft nahm ihn in Istanbul (erneut) beim Wort und machte beim 3:1 (1:1)-Triumph gegen Galatasaray (erneut) einen auf Fußballminimalismus. Geringster Aufwand, höchster Ertrag. Anders war die Partie, bei der die Türken über weite Strecken den Ton angaben und den Münchnern bei einem Hauch mehr Zielsicherheit ihre erste Pleite nach insgesamt 36 CL-Gruppenspielen zugefügt hätten, nicht zu beschreiben. Aber so feierten die Bayern ihren 16. Gruppensieg in Folge und bleiben bei neun von neun Punkten Tabellenführer der Gruppe A.

Fazit Thomas Tuchel: „Mit der ersten Halbzeit waren wir nicht zufrieden, mit der zweiten schon. Aber es ist top, neun Punkte zu haben. Großes Kompliment an die Mannschaft!“ Jamal Musiala fügte an: „Es müssen ja nicht immer schöne Siege sein.“ Schön nicht, dafür spektakulär, schon die Anfangsphase im Hexenkessel am Bosporus hatte es in sich. Die Hausherren, bei denen Superstar Mauro Icardi trotz Knöchelproblemen in der Startelf stand, legten los wie die Feuerwehr. Angepeitscht von den gut 50 000 Fans im Rams Park ließen sich die Türken rasch vor Sven Ulreichs Gehäuse blicken und kamen durch ebenjenen Icardi (4. Minute) und Kerem Aktürkoglu (7.) auch zu zwei ersten Abschlüssen, ehe die Bayern mit ihrer allerersten Aktion prompt für Totenstille auf den Rängen sorgten: Der erneut umtriebige Leroy Sané trieb das Leder in den Sechzehner und legte quer auf Kingsley Coman, Kazimcan Karatas verschätzte sich beim Klärungsversuch, wodurch sich der Franzose eine Ecke aussuchen durfte. Es wurde die linke – 1:0 (8.).

Doch in der Folge sollten sich zwei Dinge zeigen. Erstens: dass Fans in gewissen Stadien auf dieser Welt in der Tat den Unterschied ausmachen können. Und dass ein angeschlagener Icardi immer noch besser ist als gar kein Icardi. Die 30. Minute: Das giftige Gala hatte gegen weiterhin eingeschüchterte Bayern schon längst wieder das Geschehen übernommen, als Jo-shua Kimmich den antizipierenden Argentinier im Strafraum abräumte und dem Unparteiischen nichts anderes übrigblieb, als auf den Punkt zu zeigen. Icardi übernahm, verlud Ulreich per lässiger Panenka-Ausführung und sorgte so für kollektive Hysterie auf der Tribüne. Was angesichts der Passivität des Rekordmeisters vor dem Halbzeitpfiff übrigens noch öfter hätte der Fall sein können.

Bayern schwamm. Und Gala flog. Immerhin: Der Pausentee in Istanbul war anscheinend so gut, dass er Bayern zu Kräften verhalf. Kurz nach Wiederanpfiff fanden sie mal wieder den Weg vors Tor, Sané zielte jedoch zu hoch (50.). Dabei blieb es – vorerst. Zwischenbilanz zur 60. Minute: 19 Schüsse Gala, fünf FCB. Die Einschläge kamen immer näher, aber Ulreich hielt, was ging. Sowohl Icardi als auch der quirlige Lucas Torreira ließen die Bayern am Leben. Was sich rächen sollte. Die Schlussphase war bereits angebrochen, als sich das Tuchel-Team endlich befreien konnte und den bis dahin gefühlt unsichtbaren Harry Kane vorne ausfindig machte. Und der vollstreckte zunächst eine Hereingabe von Jamal Musiala zum 2:1 (73.) und revanchierte sich sechs Minuten später beim 3:1 des Deutsch-Engländers mit einem Assist. „Wir haben die Coolness bewahrt“, meinte Musiala und Tuchel staunte: „Ich glaube, Harry hat weniger Puls als ich an der Seitenlinie.“ Pragmatisch, praktisch, gut.

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