Nörl sieht schwarz für die nachrückende Generation

von Redaktion

Kein Schnee und kaum Geld – Nicht nur die Cross-Sparte von Snowboard Germany blickt schweren Zeiten entgegen

München – Bei der Schnellfragerunde zum Abschluss des Medientages war Kreativität gefragt. Wie sage ich als Snowboardprofi, was ich über die aktuelle Schneelage denke, ohne vor mitschreibenden Reportern ausfallend zu werden? Die vier Athleten auf der Bühne lösten die Aufgabe auf unterschiedliche Weise. Viele Formulierungen waren dabei und alle meinten das Wort mit „Sch“. Boardercrosser Martin Nörl (30), Grandseigneur seiner Sparte, drückte es politisch korrekt aus. „Sehr schlecht“ sei die aktuelle Schneelage.

Die meisten Athleten, die Snowboard Germany aufs Podium lud, hatten daher weite Reisen hinter sich. Saas Fee, zwischen lauter Viertausendern im Wallis gelegen, ist das Schnee-Eldorado in diesem warmen Herbst. Ein verschneites Fleckchen in den Alpen, in dem das Gedränge entsprechend groß ist. Nörl, der am Dienstag gekürte „Athlete of the year“, amtierender Vizeweltmeister und Gesamtweltcupsieger (wie 2022), wollte sich damit allerdings nicht begnügen.

Die in Saas Fee aufgebaute Startgerade mit einer einsamen Linkskurve reichte dem gebürtigen Landshuter nicht. Auf eigene Faust war er daher im August ans andere Ende der Welt geflogen. Drei Wochen Australien, die er bis auf den Flug aus eigener Tasche bezahlt hat (5000 Euro). Vor Ort traf er Schweizer, die anders als er mit Trainer- und Serviceteam angereist waren, finanziert von Swiss-Ski, wo es offenbar keine Sparzwänge gibt wie bei den hiesigen Wintersportverbänden. Bis auf Deutschland und Österreich, das in Sölden eine eigene Strecken baut, seien „alle Nationen auf der Südhalbkugel“ unterwegs gewesen.

„Langsam ist es ein Kampf mit ungleichen Mitteln“, sagt Nörl, weiß aber, was von ihm erwartet wird. Und was er selber von sich erwartet. Die 13 „hochwertigen Schneetage“ hat er sich geleistet, um auch in der Übergangssaison 23/24 angreifen zu können. Das Nachhaltigkeitskonzept seines Verbandes ist ihm bewusst, „aber was sollen wir machen? Ich weiß nicht, ob es besser ist, hier die ganzen Gletscher umzubaggern.“ Ihm bleibe letztlich nichts anderes übrig als zu fliegen und tief in die Tasche zu greifen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Mit Blick auf die politischen Entscheider in Berlin sagt der Boardercrosser: „Ich glaube, das ist im gesamten deutschen Sport das Problem: Man will zwar überall Weltspitze sein, aber man will nicht die notwendigen Mittel dafür bereitstellen.“

Hanns-Michael Hölz (71), Präsident von Snowboard Germany seit 2011 und gerade wiedergewählt, bringt die Haltung auf den Punkt, die seinem Verband und den vielen ambitionierten Sportlern abverlangt wird. „Resilienz“ laute die Losung der Stunde: „Widerstandsfähigkeit.“ Anstatt zu jammern, suchen Hölz & Co. den Kontakt zu höheren Entscheidungsebenen – und Sportler wie Nörl kreative Lösungen. „Ich weiß, ich bin am Ende meiner Karriere“, sagt der Wahl-Allgäuer. Er selbst will bis Olympia 2026 noch ein bisschen Spaß haben. Um die nachrückende Generation ist es ihm jedoch zunehmend bange: „Man wird immer mal wieder ein paar Talente durchkriegen, aber dieses strukturierte, perspektivische Arbeiten – ich habe nicht das Gefühl, dass man das noch stemmen kann, und das ist dann schon extrem frustrierend.“

Mit Blick auf die bevorstehende Weltcupsaison ist Nörl selbst gespannt, ob sich seine Privatinvestition gelohnt hat: „Mal schauen, wie wir im Winter dastehen.“ Auflösung am 2. Dezember in Les Deux Alpes. ULI KELLNER

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