Realsatire oder Seifenoper?

von Redaktion

Voss-Tecklenburg und der DFB ringen um die Deutungshoheit in der Trainerdiskussion

VON FRANK HELLMANN

Frankfurt – Eigentlich hätte Horst Hrubesch aus dem Dialog am Anstoßkreis auf dem DFB-Campus einiges mitnehmen können. Wenn der mächtigste Mann im Staate dem Interimstrainer der deutschen Fußballerinnen im Sprühregen ehrfurchtsvoll zuhört und bald darauf am Platzrand versichert, für die Nations-League-Spiele gegen Wales ins Sinsheim (Freitag 17.45 Uhr/ARD) und dann gegen Island in Reykjavik (20 Uhr/zdfsport.de) die Daumen zu drücken, ist das ja ein Ansporn. Doch was der 72-Jährige bei der hochrangigen Stippvisite noch nicht wissen konnte: Dass seine Vorgängerin Martina Voss-Tecklenburg wenig später mit ihrem ersten Statement seit ihrer Erkrankung dazwischenfunken würde. Ihre Botschaft: Die Bundestrainerin möchte bald die Analyse fortsetzen und dann weitermachen. Sie sei jedenfalls zur Zusammenarbeit bereit und erwarte „kurzfristig einen Termin“. Realsatire oder Seifenoper?

Der DFB reagierte am Mittwoch mit größter Zurückhaltung. „Wir möchten klarstellen, dass uns Martina Voss-Tecklenburg übermittelt hat, erst nach einer Bedenkzeit für ein persönliches Gespräch nach ihrem Erholungsurlaub zur Verfügung zu stehen. Dies haben wir natürlich respektiert und so eingeplant.“ Erst nach dem Urlaubsende wolle man mit der 55-Jährigen reden. Diesem Austausch „wollen und werden wir nicht vorgreifen“. Priorität hätten die Länderspiele. Hinter den Kulissen ist die Verstimmung über die Unruhestifterin groß, die die erste Arbeitswoche des Nothelfers Hrubesch empfindlich stört. Dass angeblich ihr ganzes Interesse dem „Wohl und dem Erfolg dieser mir ans Herz gewachsenen Mannschaft“ gilt, könne nicht ernst gemeint sein, heißt es aus dem Team hinter dem Team, das teils mit blankem Unverständnis reagiert.

Hrubesch hatte am Montag am Mannschaftshotel an der Frankfurter Messe schwer genervt auf Nachfragen zu „MVT“ reagiert. „Das ist jetzt nicht mein Bier“, entgegnete er auf die Variante, dass seine Vorgängerin zurückkommen wolle. Er möchte den Fokus auf die Olympia-Qualifikation lenken, was nach der Auftaktniederlage gegen Dänemark schwer genug wird. Hrubesch wird von Voss-Tecklenburg übrigens als „qualifizierte Zwischenlösung“ tituliert. Immerhin.

Das Ping-Pong-Spiel um die öffentliche Deutungshoheit geht munter weiter. Es ist offenkundig, dass Voss-Tecklenburg ihren Arbeitgeber nicht so vertrauensvoll behandelt, wie sie schreibt. Mit ihrer mehrseitigen Einlassung ist eher ein Anspruch auf die Bezüge ihres bis 2025 laufenden Vertrags hinterlegt. Die frühere Sympathieträgerin spielt mit ihrer Glaubwürdigkeit. Viele fragen sich, was die 55-Jährige mit ihrem Vorstoß bezweckt, der vom Inhalt und Zeitpunkt als Affront gewertet werden muss. Ist die 125-fache Nationalspielerin, die einst nach einem Zerwürfnis mit ihrer damaligen Lebensgefährtin Inka Grings unter Tina Theune hochkant aus der DFB-Auswahl flog, eine gespaltene Persönlichkeit? Dient vielleicht ihr Ehemann Hermann Tecklenburg als schlechter Ratgeber? Oder steuert Anwalt Christoph Schickhardt die auf Konfrontation angelegte Kommunikation?

Es spricht für Chuzpe, am Tag des Kanzler-Besuches sich auf privaten Accounts so forsch zu positionieren. Bezeichnend, wem das gefiel: Marina Hegering signalisierte ihre Zustimmung, aber damit war die Abwehrspielerin aus dem aktuellen Kader ziemlich allein. Ansonsten blieben die in den Sozialen Medien oft in Sekundenschnelle reagierenden Spielerinnen verdächtig ruhig. Die ablehnende Haltung gegenüber Voss-Tecklenburg ist verbürgt.

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