Wie ein Düsenjet-Flug

von Redaktion

Bayern tanken viel Selbstvertrauen beim Sieg im hitzigen Duell in Istanbul

VON HANNA RAIF

Istanbul – Das Saal-Mikrofon war gut reguliert, zum Glück. Denn auch zwei Stunden nach Abpfiff dieses 3:1 (1:1) des FC Bayern bei Galatasaray Istanbul klingelten so manchem Beteiligten noch die Ohren. „Ich fange gerade erst wieder an, einigermaßen zu hören“, sagte etwa Torschütze Harry Kane nach 90 wilden, nicht immer dominanten, dafür sehr, sehr lauten Minuten im als Hexenkessel berüchtigten Rams Park. So ging es vielen geladenen Gästen, Staff-Mitgliedern und Profis auch noch, als Jan-Christian Dreesen um 23.12 Uhr im Ballsaal des noblen Mannschaftshotels „Raffles“ das Mikrofon zur Hand nahm – und in den höchsten Tönen schwärmte.

„Was für ein Spiel, was für eine Kulisse!“, sagte der sichtlich beschwingte CEO in seiner Ansprache, diesmal – aufgrund der früheren Anstoßzeit – noch vor Mitternacht. Und er fand einen passenden Vergleich zu jenem Erlebnis, das 52 216 Zuschauer am Dienstagabend live spüren konnten: „Wir haben uns alle gefühlt wie neben einem Düsenjet bei diesem unglaublichen Spiel.“ Bis zu 132 Dezibel wurden während diesem dritten Gruppenspiel der Champions League gemessen, bei jeder Balleroberung der Bayern gab es ein gellendes Pfeifkonzert. Gegen Ende aber – und das war entscheidend – war es kurz still. Nämlich dann, als die lange überlegenen Gastgeber nach den späten Treffern von Kane (73.) und Jamal Musiala (79.) einsehen mussten, dass der FC Bayern diese Gruppe A aus gutem Grund ohne Punktverlust anführt und schon für das Achtelfinale planen kann.

Mit einer Startbilanz von drei Siegen aus drei Spielen ist noch nie ein Team in der Vorrunde ausgeschieden. „Die Mannschaft kann stolz sein“, sagte Thomas Tuchel nach dem 37. Gruppenspiel hintereinander, das der Rekordmeister in der Königsklasse ungeschlagen abschloss. 16 Siege sind es inzwischen in der Vorrunde, acht Auswärtssiege am Stück gelten ebenso als Königsklassen-Rekord. Weil allerdings in Istanbul hart gearbeitet werden musste, um die Serie nicht reißen zu lassen, schmeckten die gefüllten Weinblätter mit Kirschen, die gedämpfte Dorade und die langsam gegarte Rinderschulter am spätsommerlichen Bosporus besonders gut. Nicht nur Dreesen gönnte sich dazu das eine oder andere Gläschen Rotwein, denn „das Spiel“, so sagte es der Boss in Richtung Tuchel und Sportdirektor Christoph Freund, „war auf der Tribüne genauso anstrengend wie für euch da unten“.

Bis zur 75. Minute, als es nach Toren von Kingsley Coman (8.) und Mauro Icardi (30.) noch 1:1 stand, hatte Dreesen sich für die Bankettrede den Tenor zurechtgelegt: „Nichts passiert, alles ist gut.“ Dann aber zeigten die lange mit der Kulisse komplett überforderten Bayern eine Reaktion, für die es von Tuchel „ein dickes Lob“ gab. Der Coach stellte „Mentalität, Hunger, Qualität“ seines Teams heraus, das laut dem abermals überragenden Sven Ulreich an Partien wie dieser immer weiter wachse. Dieses Spiel, mutmaßte der Keeper, hätte man vergangene Saison „nicht gewonnen“.

Dass man vom türkischen Meister phasenweise an die Wand gespielt wurde, war trotzdem nicht von der Hand zu weisen. „Wir mussten leiden“, sagte Tuchel , der in der Halbzeit den richtigen Ton gefunden hatte. Ruhig, aber bestimmt sei es zugegangen, hieß es, mit zunehmender Sicherheit im eigenen Spiel wurden die Bayern spielbestimmend. Am Ende konnten sie die Atmosphäre – Coman: „Ich liebe diese Stimmung“ – tatsächlich genießen. „Ein sehr wichtiger Sieg“, resümierte Tuchel, der das „Get together“ als einer der Letzten verließ. Nach 1 Uhr war es, als der Coach mit Christoph Freund aus dem Saal ging. Davor gab es viel zu besprechen – als alle endlich wieder normal hörten.

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