München – Er wünscht sich „viel, viel mehr Ruhe“ – und erhielt zunächst das Gegenteil davon: neuen Knatsch an der Spitze des TSV 1860.
Kaum hatte Trainer Maurizio Jacobacci am Donnerstag die Pflichtpressekonferenz vor dem Spiel in Köln beendet (Samstag, 14 Uhr, live im BR), war genau das Nebensache geworden: das Spiel bei der zu Hause ungeschlagenen Viktoria, die aufstrebende Form des eigenen Teams, der Fußball an sich. Überlagert von einer Neuauflage des modernen Löwen-Klassikers: Soll es einen neuen Sportchef geben, und wenn ja, wer hat das letzte Wort?
Wer nicht ganz tief drinsteckt bei 1860, blickt schon lange nicht mehr durch. Auf den Punkt gebracht: Es geht den Gesellschaftern darum, sich über den Managerposten Einfluss und Macht zu sichern. Die Kurzversion: Im Sommer hatte Saki Stimoniaris erklärt, der (HAM-lastige) Aufsichtsrat sei sich einig, dass der zu findende Nachfolger für Günther Gorenzel nicht mehr den Rang eines Geschäftsführers haben solle. Dann gingen Monate ins Land, in denen Marc-Nicolai Pfeifer einen neuen Sportchef castete, begleitet vom präsidialen Vorwurf, der Finanzchef habe die Suche „verschleppt“. Gipfelnd nun in einem Sprengstoff-Interview von Vize Heinz Schmidt.
Im Wochenanzeiger sagte der sonst eher zurückhaltende Vizepräsident zweierlei: Erstens: Im Verein sei man sich einig, dass man doch lieber einen zweiten Geschäftsführer hätte, den der (e.V.-lastige) Beirat bestimmt. Und zweitens, ein echter Hammer: „Von einem Vertreter unseres Mitgesellschafters wurde mir persönlich unverblümt erklärt, es wäre völlig unerheblich, welchen Namen der Verein in den Ring wirft. Sobald öffentlich klar sei, es handelt sich um einen Kandidaten des Vereins, würde ihn HAM, unabhängig von dessen Qualifikation, kategorisch ablehnen. Das hat der von uns vorgeschlagene Kandidat dann auch im Gespräch mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden (Stimoniaris) und dem Geschäftsführer (Pfeifer) zu spüren bekommen. Daraufhin hat er sich zurückgezogen.“ Unschwer zu erraten, wen Schmidt meinte: Horst Heldt, den früheren Bundesligamanager und 1860-Profi, den erklärten Favoriten von Präsident Robert Reisinger.
Eine Anfrage unserer Zeitung ließ Stimoniaris am Freitag unbeantwortet. Hinter den Kulissen brodelt es bedrohlich. Um das Verhältnis der beiden Gesellschafterseiten zu beschreiben, würden die gängigen Kategorien in den sozialen Netzwerken nicht ausreichen. Es ist kompliziert? Von wegen! Bei 1860 müsste es lauten: Die Lage ist verworren und so abstoßend, dass sich selbst tiefblaue Fans angewidert abwenden. Kurios und irgendwie traurig: Jacobacci selbst war es, der am Ende der Spieltags-PK anregte, doch endlich mal ein paar Sätze zum sportlichen Gegner Köln sagen zu dürfen.
Die politischen Themen waren dem Italo-Schweizer sichtlich unangenehm. Jacobacci wurde unter anderem gefragt, ob er sich bei seiner Arbeit auch von Präsident Reisinger unterstützt fühle. Seine Antwort: ein 16 Sekunden langes Schweigen. Exakt die Ausdrucksform, die er sich insgeheim auch von der Funktionärsriege wünschen würde. ULI KELLNER