Wenn Freunde die Klingen kreuzen

von Redaktion

Maxi Kastner (München) und Marcus Weber (Nürnberg) pflegen eine besondere Verbindung

München – Schade drum: Diesen Sonntag (14 Uhr) kommt es mal nicht zum Aufeinandertreffen von Maxi Kastner, Stürmer beim EHC Red Bull München, und Marcus Weber Verteidiger der Nürnberg Ice Tigers. Weber verletzte sich im Training. Dennoch: Mal ein grundsätzliches Gespräch mit zwei Spielern, die zusammen aufgewachsen sind ()beide sind 30), und sich immer wieder als Rivalen begegnen müssen.

Wie und wo begrüßen sich alte Bekannte, wenn sie in einem DEL-Spiel aufeinandertreffen?

Marcus Weber: Vor dem Spiel ist man in der Konzentrationsphase, beim Warm-up schaut man aber schon rüber, was der andere macht. Und wenn der Maxi gerade an der roten Linie rumfährt und ich auch, kann es schon einen kurzen Schlag auf die Schienbeinschoner geben. Maximilian Kastner: Oder er bekommt von mir in die Kniekehlen (lacht). Ein paar Sticheleien vor dem Spiel sind selbstverständlich.

Im Garmisch-Partenkirchner Krankenhaus habt Ihr Euch bei der Geburt knapp verpasst. 3. November 1992, 3. Januar 1993. Seit wann kennt Ihr Euch?

Weber: Mit vier, fünf habe ich in der Laufschule angefangen, Maxi war durch seine Brüder, die beim SC Riessersee gespielt haben, auch früh dabei, wahrscheinlich sind wir uns da über den Weg gelaufen. Jedenfalls gibt es einige Kleinstschüler-Mannschaftsbilder, wo wir zusammen drauf sind.

Gab es eine gemeinsame Schulzeit?

Weber: In der Grundschulzeit nicht, im Gymnasium sind wir zwei Jahre nebeneinandergesessen. Kastner: So lange hat’s nicht gehalten, es war ein Jahr. Ich ging auf dem Gymnasium in die Klasse vom Mao rüber, weil da noch ein paar andere Eishockeyspieler waren und wir uns beim Lernen helfen konnten. Aber ich habe mich dann zum Wechsel auf die Realschule entschieden.

Hören wir richtig? Sie nennen ihn „Mao“?

Ja, das ist sein Spitzname, er hat sich früher selbst so genannt. Ich glaube, dass er als Kind Marcus nicht aussprechen konnte. So haben seine Eltern es uns weitergegeben.

War die familiäre Prägung ausschlaggebend fürs Eishockey? Sie, Mao, Marcus, haben einen berühmten Onkel, den ehemaligen Nationaltorhüter Peppi Heiß.

Weber: Mein zwei Jahre älterer Bruder hat schon Eishockey gespielt, ganz klassisch auf dem zugefrorenen Riessersee. Wir haben viele Sportarten ausprobiert, waren in der Skischule und beim Golfen, aber Peppi hatte natürlich Einfluss. Wir wussten als Kinder, dass er bei den Kölner Haien spielt, und wenn er da war, brachte er Schläger oder Ausrüstungsteile mit.

Ihre Brüder Benedikt und Sebastian, Maxi, sind sechs und acht Jahre älter.

Kastner: Ich bin durch meinen Opa zum Eishockey gekommen, mein Vater, der heute die Polizeimannschaft trainiert, hat in der Jugend des SC Riessersee gespielt, und durch meine Brüder wurde ich gezwungen, alles zu machen, was sie gemacht haben: Fußball, Golf, sogar Baseball, weil wir am Ort eine amerikanische Base hatten. Ich habe mein Eishockey-Talent gefunden und bin dabei geblieben. Sicher habe ich den Ehrgeiz und die Einstellung, dass man ohne Fleiß nichts kriegt, von ihnen. Ich habe es meinen Brüdern nach Meisterschaften und persönlichen Erfolgen gesagt, dass sie ihren Anteil daran haben und wir das als Familie feiern sollten.

Marcus, Ihr Bruder Kristan wurde Schiedsrichter. Wie das?

Weber: Er hat bis zu den Junioren gespielt und sich danach auf sein Lehramtsstudium konzentriert. Nebenbei hat er als Schiedsrichter seine Kasse aufgebessert. Um München herum gibt es ja viele Clubs in der Ober- und Bayernliga. Es war halt ein etwas anderer Studentenjob als zum Beispiel Barkeeper.

Es ist interessant, den Kader der Riesserseer Mannschaft in der Deutschen Nachwuchs Liga durchzugehen. Nachhaltig höchstklassig haben neben Ihnen beiden nur Bernhard Ebner in Düsseldorf und Nick Latta lange in Köln gespielt. Hingegen sind die damals mit auffälligsten Scorer Justin Zilla und Patrick Zimmermann nicht weit oben aufgetaucht oder haben früh aufgehört. An welchem Punkt entscheidet es sich, wohin eine Karriere geht?

Weber: Viele richten den Fokus auf Ausbildung oder Studium. Und es gehört auch das Glück dazu, zur richtigen Zeit in der richtigen Mannschaft zu sein. Man muss nicht nur hart arbeiten und besser werden wollen, sondern auch die Chance haben, zu spielen.

Marcus, Sie haben in der Saison 2012/13 in München gespielt. Der EHC hatte das Namensrecht an Red Bull verkauft, war aber noch ein eher armer Club. Durch den Lockout in der NHL sind ihm aber für einige Wochen die Stars Blake Wheeler und Paul Stastny zugeflogen.

Weber: Das Jahr war unglaublich für mich. Ich hatte als gerade 18-, 19-Jähriger in Garmisch 2. Liga gespielt und mir Hoffnung gemacht, dass der Weg weitergeht. Doch mir und anderen wurde gesagt, wir seien nicht gut genug für die 2. Liga und sollten uns was anderes suchen. Ich kam ins Überlegen, ob ich weitermache – zumal mein Bruder mir lustige Geschichten vom Studentenleben in München erzählt hat. Zu meinem Glück war Peppi damals Trainer in Peiting in der Oberliga, er meinte: ,Probiere es bei uns, mache ein Fernstudium.’ Peiting hatte eine Kooperation mit München, ich bin also beim EHC reingerutscht und spiele auf einmal mit Wheeler und Statstny.

Maxi, Sie hielten sich in Riessersee und wurden schließlich von München entdeckt. In den Playoffs 2016 kamen Sie groß raus, erlebten also die erste Meisterschaft mit.

Kastner: Ich hatte das Glück, dass bei Riessersee Toni Krinner als Trainer mir vertraut und mich in einer Reihe mit den Ausländern hat spielen lassen.

Nürnberg war einige Jahre nahe dran an München, der damalige Trainer Rob Wilson kommunizierte offen, dass er sein Team so einstelle, dass es den EHC in einer Finalserie schlagen könne. Hat nicht ganz gereicht. Mittlerweile hat sich der Hauptsponsor zurückgezogen und die Tigers mussten sich neu aufstellen.

Weber: Unser Etat war um einiges höher als jetzt. Aber ja, wir waren nahe dran, konnten um die Toppositionen in der DEL spielen und hätten eine Chance gehabt gegen München. Leider sind wir in der Runde davor hängen geblieben, in harten Serien gegen Wolfsburg und Berlin. Kastner: Das war auf Messers Schneide zwischen Nürnberg und uns. Bitter für den, der verloren hat, denn er hat von seinem Kumpel extra einen Spruch gedrückt bekommen. Ärgern können sie uns allerdings immer noch, die Nürnberger, auch dieses Jahr.

Maxi, München ist finanziell abgesichert. Was gibt das einem Profi? Spielt man sorgenfrei?

Kastner: So sorgenfrei ist es nicht, wie es zuletzt gelaufen ist. Es ist egal, wie viel Geld du hast – es ist Frust, wenn du verlierst. Und du musst den Frust in Energie wandeln.

Maxi, Sie sind einer, der auf dem Eis nicht zurückzieht.. Marcus, Peppi Heiß nannte Sie einen ,wilden, harten Hund’. Könnte es zwischen Ihnen zum Konflikt kommen?

Weber: Dass ich die Handschuhe fallen lasse, kann ich mir nicht vorstellen, und Fighten kommt eh nicht oft vor. Zweikämpfen würde ich nicht aus dem Weg gehen, aber niemals würde es ein dreckiger werden. Unterbewusst ist es sicher so, dass, wenn der Maxi in der Ecke steht, ich aufpasse, fair zu bleiben. Kastner: Das kann ich erwidern. Man checkt von Schulter zu Schulter; klar, vor dem Tor gehört der Crosscheck dazu, das ist normal. Aber ich könnte nicht in den Spiegel schauen, wenn ich den Mao verletzen würde, ihn im Sommer daheim treffe und sehe, wie er eine Schiene trägt. Dafür haben wir zu viel Spaß mit Golfen und zusammen in die Berge gehen.

Maxi, Sie haben eines Ihrer großen Ziele, die Nationalmannschaft, erreicht, wurden WM-Vierter 2021 und Vizeweltmeister 2023. Marcus ist noch ohne ein Turnier.

Weber: Es werden nur acht Verteidiger mit zu einer WM genommen, und es gibt einfach sehr viele sehr gute. Mit 30 hoffe ich dennoch weiter auf eine Chance. Kastner: Ich hätte ihm die letzte WM in Finnland zugetraut, hatte darauf gehofft, dass er dabei sein würde. Er ist ein cleverer Spieler, der den Fleiß aufs Eis bringt. Wir haben gesehen, dass man nicht nur die Topspieler braucht, sondern auch die, die für den anderen arbeiten. Er hätte charakterlich dazugepasst. Ein WM-Turnier hat eine Superatmosphäre, ich wünsche mir, dass Mao sie bald kennenlernt.

Interview: Günter Klein

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