München – „Uns als Mannschaft“, sagt Dominik Bittner, Verteidiger beim EHC Red Bull München, „liegt das wie ein brutaler Kloß im Magen.“ Am Sonntagvormittag ging die Nachricht um, dass der Amerikaner Adam Johnson (29) vom britischen Club Nottingham Panthers infolge eines Unfalls verstorben war: Die Kufe eines gegnerischen Schlittschuhs hatte ihm die Kehle aufgeschlitzt. Vorige Saison spielte Johnson in der Deutschen Eishockey Liga (DEL), bei den Augsburger Panthern. „Es ist“, so Bittner zu dem Todesfall, „ein extremer Schicksalsschlag für die Familie des Spielers, für seine Mannschaft und die ganze Eishockey-Welt.“ Und er führt zur Frage: Wie gefährlich ist dieser schnelle Sport?
Grundsätzlich: Im Eishockey kommt es zu weniger Ausfällen (1,6 Verletzungen pro Spieler und Saison) als im Handball (1,9) und Fußball (2,5), die Fehlzeiten betragen etwa die Hälfte des Fußballs – so steht es im letzten verfügbaren Verletzungsreport (2021) der Verwaltungsberufsgenossenschaft, bei der alle Profis pflichtversichert sind. Dennoch liegt derzeit ein Schatten über dem Eishockey, das Münchens Trainer Toni Söderholm eine „unglaublich schöne Sportart“ nennt.
Der Rosenheimer Mike Glemser ist seit einem Crash gegen die Bande in der vergangenen Saison querschnittgelähmt, vorige Woche weckte eine ähnliche Szene mit dem Peitinger David Diebolder, die zu einem umgehenden Spielabbruch führte, Erinnerungen daran. In früheren Jahren war es gelegentlich zu dramatischen Notfalleinsätzen auf dem Eis gekommen. Der Düsseldorfer Teamarzt Dr. Ulf Blecker rettete durch beherztes Eingreifen schon zwei Leben – das des eigenen Torwarts Bob Goepfert, der einen Schuss auf den Kehlkopf bekommen hatte (2013), und das des Augsburgers Christoph Ullmann, der nach einem Check gegen die Bande an seiner eigenen Zunge zu ersticken drohte (2019).
Einen Todesfall hat die DEL erst einmal erlebt: 1998 brach der Berliner Stephane Morin während eines Spiels auf der Bank zusammen – Herzstillstand, es gab keine Rettung mehr. Als Konsequenz führte die Liga eine verpflichtende kardiologische Einstellungsuntersuchung für alle Spieler ein.
Eine spezielle Geschichte trug ein langjähriger DEL-Akteur mit sich herum: Jim Boni, ehemaliger Trainer und Sportdirektor des ERC Ingolstadt. Er hatte als Spieler in Italien eine Rangelei, bei der er seinem Kontrahenten mit dem Schläger auf die Brust hieb. Mit tödlicher Folge. Boni wurde wegen fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
Was Adam Johnson beim Spiel mit Nottingham in Sheffield widerfuhr, wird als „freak accident“, als außergewöhnliches Missgeschick, bezeichnet. Tatsache ist allerdings auch: Die Stelle am Hals kann man schützen, es gibt Halskrausen oder „Schwitzwäsche, die bis zum Hals hochgeht, mit Kevlar verstärkt und schnittfest ist“, so Dominik Bittner. Wie die große Mehrheit spielt auch er mit freiem Hals, meint aber: „Spieler werden teilweise belächelt, wenn sie Halsschutz tragen. Dieser falsche Stolz muss aber fallen.“ Toni Söderholm weiß aus eigener Erfahrung: „Es gibt Ligen, in denen Halsschutz vorgeschrieben ist.“ Die DEL kündigte an, es auf der nächsten Managertagung zum Thema zu machen. München will auf einen etwaigen „Ausrüstungsbedarf“ (Söderholm) reagieren.
Doch Restrisiken werden immer bleiben, das liegt im Wesen der Sportart. Dominik Bittner kennt den Oberligaspieler, der an den Fällen Glemser und Diebolder beteiligt war: „Es waren komplett faire Checks, die er gesetzt hat, sie wurden nicht als Fouls gewertet. Ich weiß, dass er in notfallpsychologische Betreuung gekommen ist, weil er fix und fertig war.“ Unfälle sind Unfälle.
„Eine gewisse Härte“, plädiert Bittner, „gehört zu unserem Sport, sie darf nicht verloren gehen.“ Gefahren müsse man „ausblenden“ und zugleich „im Hinterkopf haben“. Zumindest ist er sich sicher: „Es gibt keinen Spieler, der sich vornimmt, einen anderen ins Krankenhaus zu fahren.“