Saarbrücken – 22.41 Uhr zeigte die Uhr gestern Abend, als die Saison des FC Bayern einen Knacks bekam, der lange nachwirken wird. Thomas Tuchel vergrub sein Gesicht in den Händen, Serge Gnabry spuckte auf den Rasen, aber es half nichts: Dieser Ball zappelte im Netz – und zwar aus Sicht der Münchner im falschen. Mit dem 2:1 (1:1) in der sechsten Minute der Nachspielzeit kegelte der Drittligist 1. FC Saarbrücken den Rekord-Pokalsieger aus dem DFB-Pokal. In der zweiten Runde ist für die Elf von Tuchel wie schon in den Jahren 2020 und 2021 Schluss. Noch dazu: verdient!
Thomas Müller hatte die schwachen Bayern zwar in der 16. Minute in Führung gebracht, Patrick Sontheimer aber noch vor der Halbzeit ausgeglichen (45.+1). Danach glaubte der Außenseiter an die Sensation und wurde belohnt, während der erste Titel für die Bayern futsch ist. Zudem kommt die Sorge um Matthijs de Ligt, der mit einer Innenbandverletzung am Knie ausgewechselt wurde.
Der Rasen war tagelang das größte Thema gewesen – und Thomas Tuchel konnte vor Anpfiff noch lachen. „Er sieht besser aus, als er ist“, sagte der 50-Jährige, als er noch die Hoffnung hatte, das Spiel könne sich so schnell zugunsten der Bayern entwickeln, dass eine Verschlechterung des Untergrunds keine Auswirkungen mehr haben würde. Der Plan ging jedoch gar nicht auf.
Tuchel hatte auf fünf Positionen umgestellt und dabei natürlich auch das Topspiel am Samstag in Dortmund auf dem Zettel. Nominell war das im Vergleich zum Drittliga-Gegner immer noch eine starke Truppe. Aber es war keine, die den Ton angab. Unter dem Nebel der Pyrotechnik sahen 16 003 Zuschauer tatsächlich in der ersten Hälfte mehr Angriffe der Gastgeber, während der prominente Gegner genau ein einziges Mal gefährlich wurde – aber immerhin traf.
Schon die ersten Offensivaktionen hatte Saarbrücken gehört, anders als die Bayern aber fehlte zunächst die Kaltschnäuzigkeit. Und so war es Müller, der einen Pass von Krätzig zu einem scharfen Rechtsschuss von der Strafraumgrenze verwertete. Der Jubel war groß, die Erleichterung auch – Sicherheit aber gab die erhoffte frühe Führung nicht. Vielmehr häuften sich unnötige Ballverluste, verlorene Zweikämpfe und weitere unabgestimmte Aktionen. Dem Publikum gefiel das freilich bestens.
Als de Ligt dann am Boden lag, wurde es kurz still. Und auch wenn der Niederländer nach seiner Knieverletzung – der Platz war nicht schuld! – eigenständig laufen konnte, spielte ab seiner Auswechslung in der 24. Minute der Schock mit. Kimmich musste in die Innenverteidigung – und verzeichnete da sogar wichtige Rettungsaktionen. Der eingewechselte Laimer aber übernahm den Sechser-Posten neben Krätzig und konnte keine Akzente setzen. Nach vorne ging trotz Tempo von Tel und Sané so gut wie gar nichts, dafür wurde es hinten immer wieder gefährlich. Und als Minjae Kim dann im Spielaufbau einen schlampigen Pass auf Krätzig spielte, war es passiert. Naifi bediente Boeder, der ein Auge für Sontheimer hatte. Der trockene Abschluss aus sechs Metern saß, Neuer musste erstmals seit seinem Comeback hinter sich greifen.
Nach der Pause prüfte Sané Saarbrückens 21 Jahre jungen, aber bockstarken Keeper Schreiber – der erste Abschluss der Bayern im gegnerischen Strafraum (59.). Nach dem Dreifach-Offensivwechsel wurde der Druck allmählich größer. Gnabry war nah dran (71.), Coman auch (75./83.), Musiala schoss drüber (76.), Müller köpfte knapp vorbei (80.). Immer bekam Saarbrücken einen Fuß dazwischen – und dann war Gaus da. Ernüchterung hier, grenzenloser Jubel da, auch weit nach 22.41 Uhr.