Ottes nächster Anlauf – diesmal als Vater

von Redaktion

TENNIS Der 30-Jährige ist in Ismaning ausgeschieden, sein Weg zurück hat erst begonnen

VON THOMAS JENSEN

Ismaning – Oscar Otte zuckte nicht mal. Sofort ging er zum Netz, um Antoine Bellier zu gratulieren. Der Aufschlag des Schweizers war soeben unerreichbar auf seiner Rückhandseite eingeschlagen. Das Ass besiegelte das 4:6, 6:7-Aus in der zweiten Runde der Wolffkran Open in Ismaning.

Ort und Gegner (Weltranglistenplatz 326) deuten es an: Der 30-jährige Kölner ist gerade nicht in den Tennis-Sphären unterwegs, in denen er schon einmal war. Ein Achtelfinale bei den US Open 2021 etwa, Auftritte für Deutschland im Davis Cup oder eine Fünf-Satz-Schlacht gegen den britischen Volkshelden Andy Murray auf Wimbledons Centre Court. Noch vor 16 Monaten rangierte er unter den besten 40 Spielern der Welt – mit Kurs auf die Top 30. Nun spielt er wieder Challenger-Turniere. Die Zeiten, in denen er sich durch den Unterbau der glamourösen Tennis-Elite oder Qualifikationen für größere Turniere wühlen musste, schienen vorbei – und sind nun zurück.

Seine Topform hingegen kehrte nach einer Knieverletzung im Sommer 2022 bisher nicht zurück. Ismaning ist nun sein zweites Turnier, nachdem er diesen Sommer nach Wimbledon wegen des Knies erneut aussetzen musste. In der Weltrangliste ist er auf Platz 231 abgerutscht.

Sich mental auf diesen so harten Kampf nach oben, den so viele exzellente Tennisspieler nie gewinnen, erneut einzulassen, ist das nicht mühsam? „So ein Typ bin ich nicht, der, wenn es schlecht läuft sagt: Nein, ich spiele die kleinen Turniere nicht“, antwortet Otte im Gespräch mit unserer Zeitung: „Mir macht Tennis zu viel Spaß, um da eitel oder penibel zu sein.“

Für Ende des Jahres habe er sich sogar vorsorglich für zwei unterklassige ITF-Turniere im tunesischen Monastir gemeldet – falls es mit der Weltranglistenposition für die Qualifikation der Australian Open Anfang 2024 eng werden sollte. Auf ITF-Ebene gibt es noch weniger Preisgeld und Weltranglistenpunkte als auf der ATP-Challenger Ebene. Ein Vorteil, den Otte gegenüber der Konkurrenz mitbringt: Er hat den Weg von dort ins Spitzentennis schon einmal gemeistert. Das kann den Glauben stärken, es erneut zu schaffen.

Gute Erfahrungen hatte er etwa in Ismaning gemacht. 2021 triumphierte er auf dem roten Teppich und war nun entsprechend „froh, wieder hier zu sein“, mit dem Ziel, das einzufahren, was auf dem Weg zurück nun am meisten fehle: „Siege und Matches.“ Dass er das nicht für selbstverständlich erachtet, ist herauszuhören. Nach dem umkämpften 6:7, 6:3, 7:6-Sieg in Runde eins gegen den 20-jährigen Münchner Marko Topo haderte er nicht etwa, dass er dazu drei Sätze – inklusive eines Tiebreaks im entscheidenden Durchgang – benötigte, sondern hielt fest: „Da bin ich stolz, dass ich das mental gedreht bekommen habe.“

Eine andere mentale Herausforderung ist es für ihn derzeit, als junger Vater wieder zu Turnieren aufzubrechen. Er ist im Sommer zum ersten Mal Papa geworden. Trotz der Verletzung bezeichnet er die vergangenen vier Monate daher als „die schönsten meines Lebens“. Die Prioritäten hätten sich verschoben, aber: „Ich liebe Tennis noch immer. Auch wenn es jetzt schon schwierig ist, zwei, drei Tage von meiner kleinen Tochter weg zu sein.“

Nun wird er früher wieder daheim sein als geplant. Bittere Niederlagen durch Vater-Freuden schneller abhaken zu können, gehört bisher noch nicht zum Erfahrungsschatz Ottes. Aber auf dem Weg zurück nach oben könnte das trotzdem ein Vorteil sein.

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