„Das ist Adrenalin pur“

von Redaktion

NFL-Spieler Jakob Johnson aus Stuttgart über Football als Schachspiel und Partien vor 100 000 Fans

Jakob Johnson schaffte es über das International Player Pathway Programm in die NFL. Nach zwei Jahren bei den New England Patriots spielt der gebürtige Stuttgarter seit 2022 bei den Las Vegas Raiders. Unser Interview mit dem 28-Jährigen.

Jakob Johnson, wie sind Sie in der Jugend auf Football gestoßen?

Ich habe alle möglichen Sportarten ausprobiert. Ich sollte mich in der Schule still verhalten, der Plan war, mich mit Sport auszupowern. Fußball, Handball, Basketball, Ringen, Schwimmen – ich habe so ziemlich alles gemacht. Über einen Zeitungsartikel bin ich auf Flag Football bei Stuttgart Surge gestoßen. Ich war bei einem Training dabei, und der Football hat mich sofort komplett abgeholt. Ich hatte ein Gefühl, das ich auf diesem Level bei keiner der anderen Sportarten hatte. Es gibt im Football einen Platz für jeden.

Sie haben College-Football gespielt, das ist in Amerika wie eine eigene Religion. Was war das für eine Erfahrung?

Ich war vier Jahre bei den Tennesssee Volunteers, das ist eine der größeren Football-Schulen in den Südstaaten. Football bedeutet dort alles. Jeden Samstag hatten wir ein ausverkauftes Stadion – 102 455 Fans! Der gesamte Bundesstaat ist da zu den Spielen gekommen. Das war eine sehr coole Erfahrung, vor so einer Kulisse spielen zu können. Und für so eine historische Universität. Wir waren das 119. Team, es gibt also eine lange Tradition.

Über 100 000 Zuschauer – sind da die Knie auch schon mal weich geworden? Oder hat es zusätzlich angespornt?

Es ist eine Mischung aus beidem. Und über die Jahre lernst du, damit umzugehen. Ich fand das Stadion sehr cool. Ich bin auch in der spielfreien Zeit schon mal ins Stadion. Ich kannte da die Wege, um aufs Dach zu kommen. Ich habe mich manchmal auch ganz oben auf die Plätze gesetzt, das ist wirklich richtig steil. Am Spieltag ist es einfach nur laut. Du rennst da mit deiner Mannschaft raus, es gibt Feuerwerk, die Band spielt. Das ist Adrenalin pur. Aber sobald du auf dem Platz stehst, musst du voll da sein und deinen Job erledigen.

Ihr erster Trainer in der NFL war Legende Bill Belichick bei den New England Patriots. Wie war das?

Es war extrem herausfordernd, aber ich habe auch extrem viel gelernt. Ich habe eine ganz andere Seite vom Football kennengelernt. Am College geht es viel um Talent und überlegene Athletik, in der NFL hat jedes Team hervorragende Athleten. Es ist in der NFL wirklich mehr wie ein Schachspiel, das Coaching ist also extrem wichtig. Und von einem Bill Belichick kannst du natürlich unfassbar viel lernen, was Strategie angeht.

Sie waren der zweite Deutsche in der NFL, der einen Touchdown gefangen hat. Denkt man daran oft zurück?

Das ist ein Moment, der mir vermutlich mehr bedeutet, wenn ich meine Karriere mal beendet habe. Es war cool, aber die Reise geht weiter. Die NFL ist ein Business von Woche zu Woche. Da bleibt keine Zeit, um in der Vergangenheit zu schwelgen.

Gegen die Packers haben Sie einen Touchdown entscheidend freigeblockt. Die Aktion wurde in Amerika, aber auch in Deutschland im TV ziemlich gefeiert. Bekommen Sie so was mit?

Die NFL veröffentlich nach den Spielen immer Highlights, leider nur mit amerikanischem Kommentar. Auf Deutsch hätte ich es auch gerne noch mal gehört (lacht). Meine Familie und Kollegen informieren mich aber, worüber in Deutschland so gesprochen wird. Ich bin der einzige aktive Spieler in der NFL, der in Deutschland mit dem Football angefangen hat. Da freue ich mich natürlich sehr, wenn ich Liebe aus Deutschland bekomme.

Sie haben ein Football-Camp veranstaltet und schauen auch immer wieder bei Ihrem Jugendverein dabei. Bedeutet Ihnen das etwas, die kommende Generation an Football-Talenten zu inspirieren?

Ich hätte nie gedacht, dass ich das Football für irgendwem in irgendwas bin (lacht). Mich freut es sehr, dass es im Football-Bereich geklappt hat. Ich will Präsenz zeigen. Als ich mit Football angefangen habe, habe ich auch von Sebastian Vollmer oder Björn Werner gehört. Aber es ist ein Unterschied, ob du etwas hörst, oder siehst, dass es wirklich echt ist.

Wie verfolgen Sie die wachsende Football- Begeisterung in Deutschland?

Deutschland war in Europa schon immer Vorreiter, was Football angeht. Dass es so riesig wird, hätte ich aber auch nicht gedacht.

Interview: Nico-Marius Schmitz

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