Ällabätsch in Dauerschleife

von Redaktion

Trotz „Ostern und Weihnachten“ im Topspiel eskaliert Tuchel-Zoff mit Experten

VON HANNA RAIF

Dortmund – Der Mannschaftsbus des FC Bayern hatte vor dem Signal Iduna Park schon ausgeparkt, da machte er doch , einmal den Warnblinker an und blieb für ein paar Minuten stehen. Denn ein Protagonist, das fiel dann doch auf, fehlte. 21.27 Uhr war es schließlich, als Thomas Tuchel seine alte Wirkungsstätte in Dortmund nach dem 4:0 (2:0) mit seinem aktuellen Arbeitgeber als letzter Protagonist des FC Bayern verließ. Mit einer herzlichen Umarmung übrigens – eine Seltenheit an diesem Tag, der in der Saisonrückschau nicht fehlen wird.

Ein Ordner in Schwarz-Gelb hatte sich dem eilenden Tuchel zum Abschied in den Weg geworfen, und so kam es am Rande der bayerischen Machtdemonstration doch noch zu ein paar herzlichen Szenen mit dem Trainer, dem nach Herzlichkeit eigentlich gar nicht zumute war. Das hatte er schon vor der Partie angedeutet, als er im Dauer-Zwist mit Lothar Matthäus und Didi Hamann süffisant vor der „Sky“-Kamera sagte: „Ich möchte nicht stören, wenn die Experten über uns sprechen.“ Und er machte mit dem Rückenwind der „besten Saisonleistung“ auch nach Abpfiff des deutschen Klassikers keine Anstalten, damit aufzuhören.

Tuchel war eingeschnappt – und machte sich so selbst zum größten Thema. Der Kernsatz aus x Interviews, in denen „Didi und Lothar“ für ihre zurückliegende Kritik an seinem Wirken von ihm angezählt wurden, lautete: „Trotz Zerwürfnis mit dem Trainer? Trotz keiner Weiterentwicklung? Jetzt haben wir 4:0 gewonnen, jetzt müsst ihr eine 180-Grad-Wende machen – viel Spaß dabei!“ Oder anders gesagt: Ällabätsch!

Der Spaß, das wurde rund um dieses „geilste Auswärtsspiel“ (Leon Goretzka) deutlich, war Tuchel schon lange vergangen. Und er hatte nach dem zehnten Duell hintereinander, in dem der BVB sich an den Bayern die Zähne ausbiss, durchaus gute Argumente für den Gegenschlag. „Es war ein Top-Spiel, deshalb haben wir eine Top-Leistung gebracht“, fasste der 50-Jährige treffend zusammen, als es mal kurz sachlich wurde. Drei Tage nach dem peinlichen Aus im DFB-Pokal beim Drittligisten Saarbrücken hatte die Mannschaft laut Jan-Christian Dreesen „etwas gutmachen wollen“. Nicht nur der CEO war entzückt über die „gelungene Reaktion“, auch Tuchel freute sich nach zwei „harten Tagen“, dass „die Mannschaft es sich beweisen konnte“. Nicht in Saarbrücken, sondern vor 80 365 Zuschauern in Dortmund habe man laut Kapitän Manuel Neuer „das wahre Gesicht“ des FC Bayern gesehen.

Es lief an diesem nassen Samstagabend tatsächlich alles wie geschmiert. Die beiden schnellen Tore durch Dayot Upamecano (4.) und Harry Kane (9.), der später noch zwei Mal traf (72./90.+3), gaben Sicherheit und nahmen dem BVB „den Wind aus den Segeln“ (Thomas Müller). Auch danach aber war man stets „giftig und gallig“, hinten sicher, vorne hungrig. Über Konter, sagte der Blitz-Genesene Goretzka, habe man die Hausherren „platt gemacht“. Das „Kippmomentum“ war laut Müller so „nur sehr klein“. Der Sieg ging auch in der Höhe in Ordnung und ließ die Diskussionen um spielerische Weiterentwicklung und Kaderbreite zumindest für den Moment zu Schein-Debatten werden.

„Ein taumelnder Boxer kann gefährlich sein“, sagte Goretzka, dem die Genugtuung wie allen Beteiligten im Gesicht stand. Das musste Dortmund an diesem laut Trainer Edin Terzic „frustrierenden Abend“ einsehen, und das spürt auch Leverkusen. Der Hauptkonkurrent um den Titel? „Aktuell sieht es so aus“, sagte Müller. Zwei Punkte trennen die Teams – und dass das keine Welt ist, sahen auch die Experten ein. „Wenn Lothar zufrieden ist, ist Ostern und Weihnachten zusammen“, sagte Tuchel schnippisch, bevor er „einfach gehen“ wollte. Zum nächsten Interview, um weiter zu ätzen. Wie gesagt: kein Tag der Herzlichkeit.

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