Landshut – Wer in Landshut etwas über Eishockey wissen will, braucht kein Internet. „Wir müssen nicht googeln, wir haben Alois Schloder“, sagt Alexander Steiger, der Vorsitzende des EV Landshut. Schloder, 76, ehemaliger Kapitän der Nationalmannschaft, Star des EVL und Sportamtsleiter der Stadt, hat viel erlebt und nichts vergessen. Er kann das Jahr und oft auch die exakten Daten benennen, zu denen sich Geschichte zugetragen hat.
Er weiß noch, wie in den 80er-Jahren Klaus „Butzi“ Auhuber, der gegen sich und andere beinharte Verteidiger, im Kabinengang Journalisten sein „Schubladenknie“ vorgeführt hat: zehn Zentimeter vorgefahren, zehn zurück. Wie der Arzt in einem Finale Helmut Steiger, den am Zeh verletzten Landshuter Torjäger, „durch den Schlittschuh hindurch gespritzt hat“. Oder wie im Stadion alle einstimmten in den Song „Major Tom“ von Peter Schilling. „Völlig losgelöst“ war Landshut bei seiner zweiten und bis heute letzten Deutschen Meisterschaft 1983. Auch schon wieder vierzig Jahre her.
25 werden es dann im nächsten Jahr, dass der EVL sich aus der Deutschen Eishockey Liga (DEL) zurückzog und die Lizenz an die München Barons abgab. Seitdem: „Ein Rauf und Runter wie im richtigen Leben“, sagt Alois Schloder. Tendenz derzeit aber: nach oben. Der EVL hat sich in der DEL2 etabliert, sein Stadion, von der Stadt übernommen und umgebaut, „ist in Deutschland das schönste mit einem Fassungsvermögen bis zu 5000 Zuschauern“ – und kommende Woche richtet Landshut das Doppel-Turnier um den Deutschland Cup aus. Frauen und Männer, zweimal vier Teams, eine Weltpremiere. „Wir sind wieder wer“, sagt Schloder mit Blick auf sein Landshut.
Schön getimt vor der Festwoche hat Alois Schloder den zweiten Teil seiner Vereinschronik vorgestellt. Der erste, vor sechs Jahren erschienen, war schon von monumentaler Wucht: 900 Seiten. Nun legt er weitere 400 nach. Er hat 118 000 Euro an Sponsorengelder eingesammelt, mit denen die Herstellungskosten gedeckt werden. Der Erlös aus dem Verkauf (je 40 Euro) geht voll in den Landshuter Eishockey-Nachwuchs. Noch immer produziert der EVL Stars: Tom Kühnhackl (jetzt Mannheim) gewann zweimal den Stanley Cup, Tobias Rieder (Växjö Lakers) spielte in der NHL, ihr Sturmkollege aus Juniorenzeiten, Nico Krämmer, spielt beim EHC München. Und 2023 wurden die Landshuter Alexander Ehl (Düsseldorf) und Fabio Wagner (Ingolstadt) mit der Nationalmannschaft Vizeweltmeister. Die Sensation von Tampere hat Schloder in sein neues Buch noch hineingebracht; kurz zuvor hatte das 4000. Pflichtspiel des EV Landshut in den 75 Jahren seines Bestehens stattgefunden. Zwei statistikverliebte Senioren-Fans des EVL sorgten dafür, dass kein einziges Ergebnis verloren ging.
Fans waren auch die treibenden Kräfte, dass der Deutschland Cup nun in Landshut ausgetragen wird. Als sie vor einem Jahr hörten, dass der Vertrag des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) mit Krefeld auslief, forderten sie den EVL auf, tätig zu werden. Landshut bewarb sich. Es hatte sich 2022 mit der U 18-Weltmeisterschaft auf die internationale Landkarte gesetzt. Thomas Haslinger (CSU), der 2. Bürgermeister, sieht „die Millionen ins Stadion richtig investiert. Ob es heute beim Sanierungsstau, den wir bei Sportstätten haben, noch möglich wäre?“
Von den Traditionsvereinen, die mal Meister waren, aufgrund ihrer nicht-großstädtischen Struktur die höchste Liga aber nicht halten konnten, steht der EV Landshut am besten da. Durch Niederbayern weht die wohlige Nostalgie der Schloder-Chronik, aber es besteht auch Aussicht darauf, dass es noch Stoff für einen dritten Teil geben wird.
Vorerst hat Alois Schloder aber den Tisch von seinen Buch-Unterlagen freigeräumt und seiner Frau gesagt: „Margit, du kannst da wieder das Essen servieren, es ist kein großer Aktenberg mehr da.“