München – Nächster Akt im Experten-Theater. Nun hat sich Ex-Nationalspieler Didi Hamann (50) im Zwist mit Thomas Tuchel (50) verwundert über die Form der Kritik des Bayern-Trainers geäußert. „Die Art und Weise hat mich etwas überrascht. Das ist auch eine Form des Anstands. Das muss man auf einer gewissen Ebene machen“, sagte TV-Experte Hamann am Sonntagabend in der Sendung Sky90. Aber: „Dass er sich gewehrt hat, verstehe ich.“
Tuchel hatte nach dem 4:0 der Bayern im Bundesliga-Topspiel bei Borussia Dortmund gereizt auf die Kritik von Hamann und dessen Sky-Kollegen Lothar Matthäus (62) reagiert. Vor dem Sieg wiederum hatte der Münchner Trainer die Aussagen der TV-Experten noch cool und humorvoll weggebügelt. Aber warum die 180-Grad-Wende?
„Im Endeffekt hat jeder von uns zwei Gesichter. Das ist auch gut so. Aber man muss lernen, wie man sie richtig einsetzt“, sagt Sportpsychologe Matthias Herzog (46) im Gespräch mit unserer Zeitung. Der Fachmann erklärt: „Vereinfacht ausgedrückt gibt es vier Persönlichkeitstypen.“ Grün sei der Unterstützer, wie Mutter Teresa. Gelb der Kumpel, wie Pippi Langstrumpf. „Tuchel ist ein rotdominanter Typ. Das sind die Macher, wie Lewis Hamilton oder Dieter Bohlen. Rote haben das Sieger-Gen, die höchsten Ansprüche an sich und andere. Sie akzeptieren nicht, dass etwas nicht geht“, so Herzog. „Tuchel hat aber auch blaue Züge. Heißt, er ist Perfektionist, ein Schnürsenkel-Bügler wie Sherlock Holmes. Diese Kombination haben die meisten Trainer, auch Louis van Gaal oder Pep Guardiola. Die Stärken dieser Kombi sind, dass diese Typen Entscheidungen treffen, vorangehen und eine klare Struktur haben.“
Eine Mischung, die aber auch Risiken birgt. „Beim Rotdominanten ist die Gefahr, dass sie zu dominant werden, zu hierarchisch und damit den Sportlern viel Potenzial nehmen“, sagt Herzog. Rote hassen Kritik, sind beratungsresistent und lassen sich ungern von anderen sagen, was zu tun ist. Sie haben ihre Emotionen selten im Griff, fühlen sich anderen gegenüber oft erhaben und suchen die Schuld bei anderen. Herzogs Ratschlag: „Rote müssen lernen, Fehler einzugestehen. Dieser Typ sollte in Triggermomenten tief durchatmen. Langsames Zählen oder ein Boxsack, um sich abzureagieren, helfen auch.“
Dass Tuchel beispielsweise morgens meditiert, verriet er während der Audi Summer Tour des FC Bayern bei einem Termin mit den Club-Medien im Rahmen einer japanischen Tee-Zeremonie. Nach seinem Aus beim FC Chelsea nahm er sich auch eine Auszeit, hat unter anderem eine Ayurveda-Kur in Indien gemacht. Rund ums Dortmund-Spiel brachen seine Emotionen aber aus ihm heraus.
Herbert Hainer (69) fand gut, dass „der Thomas jetzt ein Stoppschild gesetzt hat“, sagte der Bayern-Präsident bei MagentaTV: „Mir gefällt es, dass er so wehrhaft ist.“
Auch laut Herzog kann der gereizte Auftritt ein Vorteil für den weiteren Saisonverlauf werden. „Sein Verhalten gegenüber Hamann und Matthäus kann Positives in der Mannschaft bewirken. Sie können näher zusammenwachsen“, betont der Sportpsychologe.
Eine Aussprache zwischen Tuchel und den beiden Sky-Experten ist nicht geplant. „Ich habe genug zu tun in meinem Job“, sagte der Coach über ein mögliches Schlichtungsgespräch. Und überhaupt: Mit Fernsehexperten treffe er sich nicht privat – schon gar nicht auf ein Bier (wie von Lothar Matthäus vorgeschlagen) oder einen Gin Tonic: „Ich trinke keinen Alkohol während der Saison.“
Und damit basta!