Stuttgart – Thomas Bach ist der Humor nicht vergangen. „Wenn ich jeden Kritiker anrufen würde, hätte ich nicht mehr viel anderes zu tun“, scherzte der IOC-Präsident beim Besuch in Deutschland. Gleichgültig ist dem Olympiasieger von 1976, seit einem Jahrzehnt – und vielleicht noch einige weitere Jahre – der mächtigste Mann im Weltsport, die Kritik allerdings nicht, die ihm aus der Heimat ausdauernd entgegenschlägt.
Er habe „eine dicke Haut“ bekommen und müsse sich „nicht immer alles antun“, erklärte der 69-Jährige bei der Podiumsdiskussion Stuttgarter Sportgespräch. Doch Thomas Bach hat einen Trost gefunden: „Wenn man nicht immer alles liest aus Deutschland, dreht die Welt sich trotzdem weiter.“
Der gebürtige Würzburger ist längst ein Global Player, aus vielen anderen Winkeln des Planeten ist er Huldigungen und Ehrerbietungen gewohnt. Nicht nur, aber auch durch Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees, von denen ihn einige über 2025 hinaus an der Spitze der Ringe-Organisation sehen wollen. Bei der Beantwortung der Frage, ob Bach denn auch selbst will, aufgeworfen Mitte Oktober bei der IOC-Vollversammlung in Mumbai, wählt er weiter Worte, die einigen Raum für Interpretationen lassen. „Zu gegebener Zeit werden wir zu einer Entscheidung kommen, die niemanden in eine Ecke stellt“, sagte Bach und betonte abermals, er habe gegenüber den Mitgliedern aus Afrika und Amerika nicht unhöflich sein wollen. Dass in verschiedenen Medien von einer Inszenierung gesprochen wurde, bezeichnete Bach pikiert als „typisch“.
Baustellen hat der Vorsitzende des Internationalen Olympischen Komitees aber ohnehin genug, weniger als neun Monate vor den Sommerspielen in Paris: die ewige Russland-Frage etwa oder neuerdings den Umgang mit Israel/Gaza und den bereits sichtbaren Auswirkungen auf den Sport, Stichwort Antisemitismus. Die Paris-Spiele dieser Weltlage zu „opfern“, wie Bach es nannte, „wäre die vollkommen falsche Herangehensweise“. Der Sport müsse zwar „politisch sein, aber er muss politisch neutral sein“, sagte er entschlossen.
Beim Stichwort Politik musste Bach auch den aufkeimenden deutschen Olympia-Ambitionen einen Dämpfer versetzen. Aufgrund der Einreisebeschränkungen als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine nämlich käme – zumindest derzeit – das Heimatland des IOC-Präsidenten als Gastgeber per se nicht infrage. „Das IOC kann Spiele nur dorthin vergeben, wo seine Regeln respektiert werden. Dazu gehört, dass jeder vom IOC akkreditierte Teilnehmer einreisen darf“, erklärte Bach den rund 300 Zuhörenden.
Allerdings muss sich die Ringe-Organisation um die Spiele 2036, mit denen auch der Deutsche Olympische Sportbund liebäugelt, wohl keine Sorgen machen. Laut Bach gibt es „eine gesunde zweistellige Anzahl an Interessenten“, als großer Favorit darf Indien gelten. Auch für 2040 stünden schon „einige“ Kandidaten in den Startlöchern. Ob er bei der Vergabe dieser Spiele auch noch im Amt ist, bleibt zunächst offen. Aber womöglich gab Bach selbst unbewusst einen Hinweis darauf. Angesprochen auf den Fall der ukrainischen Fechterin Olha Charlan, der Bach nach ihrer Disqualifikation wegen eines verweigerten Handschlags mit einer russischen Kontrahentin einen Olympia-Startplatz garantierte, sagte er: „Jede Regel kann gebrochen werden.“ sid