Spektakel oder Schwachsinn?

von Redaktion

Start auf 3720 Meter: Die neue Zermatt-Abfahrt erhitzt die Gemüter im Ski-Weltcup

VON THOMAS JENSEN

München – Majestätisch. Spektakulär. Schön. Bei den Bildern des ersten Trainings auf der neuen Weltcupabfahrt erklingen imaginär eher Alphörner – und nicht die meckernden Stimmen, die es rund um dieses Rennen am Matterhorn gibt.

Auch die Bagger werden am Samstag (11.30 Uhr, BR/Eurosport) nicht mehr zu sehen sein, wenn die weltbesten Abfahrer von den Bergen über dem schweizerischen Zermatt gegenüber des Matterhorns in Richtung des italienischen Cervinias schießen. Wie nach einem Schlagabtausch zwischen den Veranstaltern und Umweltschützern die Kantonale Baukommission des Wallis festhielt, waren Teile der Arbeiten auf dem Theodulgletscher zum Herrichten der Strecke in einer nicht genehmigten Zone durchgeführt worden. Laut der Zeitung „Blick“ wird dieser Raum nun umfahren, die Veranstalter gaben an, Korrekturen vorzunehmen.

Nicht ausweichen können die Sportler stattdessen dem Wind. Bei Bedingungen wie im Training am Mittwoch spielt er keine Rolle – doch die Kraft zu stören hat er, dass hört man aus dem Skiweltcup deutlich heraus. Deutschlands beste Abfahrerin Kira Weidle, die mit den Frauen eine Woche später zu Gast sein wird, formuliert es so: „Das große Fragezeichen ist das Wetter und die Fairness, wenn da oben wie eigentlich zu 90 Prozent der Zeit der Wind geht.“ Der Alpinchef des deutschen Skiverbandes DSV Wolfgang Maier drückt sich noch deutlicher aus: „Die Abfahrer wollen Mitte November nicht auf fast 4000 Meter fahren. Das ist zu windinstabil.“

Ein Vorschlag des DSV, das Rennen im Frühling bei freundlicheren Verhältnissen auszutragen, sei von den Veranstaltern abgewiesen worden, wohl aus wirtschaftlichen Gründen, führt Maier aus. Interesse an dem frühen Termin gibt es aber auch vonseiten des Weltverbands FIS. Dem Vernehmen nach ist die länderübergreifende Abfahrt ein Lieblingsprojekt des umstrittenen Präsidenten Johan Eliasch. „Das ist sein Thema“, ordnet Maier ein. Dabei gibt es auch aus der FIS zweifelnde Stimmen. Der hoch respektierte Renndirektor Markus Waldner merkte zu dem Rennen, das vergangene Saison mangels Schnee abgesagt wurde, an: „Wir brauchen die Hilfe von Mutter Natur.“

Stand Mittwoch waren für das Wochenende in den Westalpen teils stürmische Verhältnisse vorhergesagt, inklusiver schlechter Sichten und Schneefall. Hilfe von Mutter Natur könnte also nötig sein, um die erhoffte Show zu liefern: Tempo von ca. 135 km/h, Sprünge von über 70 Meter und das alles mit Blick auf das Matterhorn soll die von Abfahrts-Olympiasieger Didier Defago (Schweiz) entworfene Gran Becca ermöglichen.

Übrigens: Benannt ist die höchstgelegene Piste des Weltcups (Start: 3720 Meter, Ziel: 2865 Meter) nach dem Namen des Matterhorns bei den italienisch sprechenden Einheimischen: Der große Gipfel. Ein Name, in dem viel Respekt vor den Bergen, vor der Naur, mitschwingt.

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