Bayerischer Kuschel-Sonntag

von Redaktion

Kaum Kritik, viel Kane-Jubel auf Jahreshauptversammlung: „Hungrig bleiben“

VON HANNA RAIF UND VINZENT TSCHIRPKE

München – Das erste Feedback für Jan-Christian Dreesen gab es unmittelbar nach seiner rund 25-minütigen Rede. „An der bairischen Aussprache arbeiten wir noch“, sagte Präsident Herbert Hainer – und nicht nur der Vorstandsvorsitzende, sondern auch die 1780 anwesenden Mitglieder im BMW Park lachten. Dreesen hatte nach zehn Jahren als Finanzvorstand bekanntlich zum ersten Mal als CEO zur Bayern-Familie gesprochen und – das wurde in knapp fünf Stunden deutlich – einen dankbaren Tag zum Start erwischt. Denn im Vergleich zu den letzten Jahren ging es heuer, erstmals Sonntagmittag statt Freitagabend, kuschelig zu.

„Wir stehen da, wo der FC Bayern hingehört: ganz oben“, leitete Hainer ein. Das gilt wirtschaftlich, mitgliedertechnisch (aktueller Stand: 316 000) – und sportlich. Die Weichen dafür hatte das Team am Vortag beim 4:2 gegen Heidenheim gestellt. Als Tabellenführer in eine Jahreshauptversammlung zu gehen, sei doch „sehr gut“, hatte Trainer Thomas Tuchel, Sitznachbar von Uli Hoeneß (herzliche Umarmung!), treffend festgestellt. Und auch darüber hinaus gab es diesmal kaum Brennpunkte. Das leidige Thema Katar-Sponsoring ist vom Tisch, den Fall Mazraoui moderierten sowohl Dreesen als auch Hainer in ihren Reden clever ab – verbunden mit der Ankündigung: „Noch einmal darf so etwas nicht passieren“ (Hainer). Insgesamt aber war es ein Tag von viel lobenden Worten, einigen kleinen Spitzen und großen Visionen. „Unser großes Ziel ist die Meisterschaft“ beim Blick auf die Schale, die als einziger Pokal der Herren neben ihm auf dem Podium stand, und fügte hinzu: „Und natürlich London.“ Im Wembley-Stadion findet am 1. Juni 2024 das Finale der Königsklasse statt.

Die Erinnerungen an diesen Ort sind bestens, das wissen auch die etwa 50 Minuten anwesenden Jamal Musiala, Raphael Guerreiro und Matthijs de Ligt, die die Mannschaft in Abwesenheit von Kapitän Manuel Neuer vertraten. Trotzdem betonte Dreesen: „Wir dürfen uns nicht einlullen lassen von den Erfolgen der Vergangenheit, denn die sind kein Garant für die Erfolge der Zukunft.“ Der 56-Jährige rief für die kommenden Jahre das Motto „hungrig bleiben, zusammenhalten und niemals aufgeben“ aus. Auf wen die Mitglieder dabei die größte Hoffnung setzen, wurde immer wieder klar. Der Name Harry Kane musste nur ausgesprochen werden – und die Halle tobte. Als „Sportstar und Gentleman“ lobte ihn Dreesen, als Dank für seine Leistungen wolle man ihm „helfen, seiner Karriere noch einige Titel hinzuzufügen“. Auch da gab es deutlich mehr Applaus als etwa für das Comeback von Neuer. Kurios zudem: Die Leistungen seines Vertreters Sven Ulreich wurden deutlich heftiger gefeiert als die Rückkehr der Nummer eins. Dreesen: „Vielleicht fällt Ulle die Vertragsverlängerung so leichter.“

Nicht nur an dieser Stelle ging es um die Personalpolitik. Was von ihm erwartet wird, konnte Sportdirektor Christoph Freund vor allem von Hainer hören. Mit Blick auf den Campus sagte er: „Wir brauchen mehr Statement-Spieler made by Bayern.“ Da blickte auch Tuchel auf, den Hainer im Zwist mit den TV-Experten stützte: „Die vertragen auch mal Kontra.“

Kontra von den Mitgliedern gab es erst später, zu lila-schwarzen Champions-League-Trikots, dem Ruanda-Sponsoring und rund um die Satzungsänderung, die letztlich aber mit 92 Stimmen durchging. Das passte zur positiven Gesamtstimmung, den Rekordzahlen und am Ende auch dem Freibier. Die Bayern-Welt wirkte so heil wie lange nicht, also noch ein Appell an alle anderen. „Solidarität ist keine Einbahnstraße“, sagte Dreesen mit Blick auf die anderen Bundesligisten. Dem Vorbild aus München sollen alle folgen. „Packen ma’s“, sagte Dreesen zum Abschluss. Mit Luft nach oben – in Sachen Bairisch.

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