München – Endlich, mit zwei Jahren Verspätung, ist ein Haken dran. Zwar hat Johannes Lochner bei seiner Sightseeing-Tour feststellen müssen, „dass man nicht ganz allein auf der Welt ist“. Aber das Fazit fällt dennoch positiv aus. „Schon eine Erfahrung wert“ sei es, sagt der Weltmeister im Zweierbob, diese Chinesische Mauer mal aus nächster Nähe gesehen zu haben. „Gefühlt“, fügt er lachend hinzu, sei „ganz Peking mit da oben gewesen“, die Wartezeit war somit länger als das Erlebnis an sich. Und trotzdem saugt der 33-Jährige Erlebnisse wie diese gerade besonders auf. Denn wer weiß, ob der bislang erste Weltcup auf der Olympiabahn von 2022 für Lochner auch gleichzeitig der letzte sein wird?
Selbst Lochner persönlich kann eine Antwort auf diese Frage gerade (noch) nicht geben. Schon nach der vergangenen Saison, die er mit dem so lange ersehnten WM-Gold in St. Moritz krönte, hatte der Berchtesgadener ans Karriereende gedacht; die Idee allerdings kam in seinem Umfeld nicht ganz so gut an. Warum aufhören, wenn es am schönsten ist – und wenn man es endlich geschafft hat, den Dauerdominator Francesco Friedrich (Oberbärenburg) vom Thron zu stoßen? Das fragten auch Ehefrau Hannah, Mama und Papa und natürlich die Sponsoren. Also hat Lochner im Sommer wieder Gas gegeben – und startet in die an diesem Freitag im Yanqing Sliding Center beginnende Weltcup-Saison mit dem klaren Ziel: „Ich will meinen WM-Titel verteidigen. Und eine Medaille im Vierer wäre auch schön.“
Wer da etwas dagegen hat, ist nur logisch. WM-Rekordhalter Friedrich, der neben Lochner der einzige von nur zwei deutschen Startern in China ist, hat es so gar nicht geschmeckt, dass er im Vorjahr nach sieben Zweier-Titeln hintereinander „nur“ zu Silber gerast war. Schon während der Saison war Lochners Formkurve stetig nach oben gegangen, fünf von acht Rennen im kleinen Schlitten hatte er für sich entschieden. „Das darf heuer gerne so weitergehen“, sagt er. In dieser Hoffnung wurde er auch in den Trainingsfahrten vor Ort bestärkt. „Wir haben da weitergemacht, wo wir bei Olympia aufgehört haben“, erzählt Lochner und wagt auch eine Prognose: „Ich denke, dass wir die Nase vorn haben.“ Das dürfte leichter gelingen, weil der Brite Brad Hall, einer der Haupt-Konkurrenten des starken deutschen Duos, aufgrund einer Rückenverletzung auf den Start verzichtet.
Er dürfte im Laufe der Saison dazustoßen, aber Lochner hat keine Angst. Sein Plan: „An diesem Wochenende schauen wir, wo wir stehen – und dann hauen wir richtig auf die Pauke.“ Dass der Weltcup-Kalender heuer ganz anders aussieht als in den zurückliegenden Jahren, kommt ihm sehr gelegen. Nach der Station in China – wo der Frauen-Wettbewerb mangels Meldungen abgesagt wurde – geht es erst am 8. Dezember im französischen La Plagne weiter. Über Weihnachten ist nach einer weiteren Station in Innsbruck bis zum 11. Januar (St. Moritz) Pause. Die Heim-WM in Winterberg steigt erst Ende Februar, das Saisonfinale in Lake Placid (USA) Ende März. „Entspannt“, sagt Lochner – und so gibt er sich auch.
Man merkt ihm die Mischung aus „Routine, Vertrauen und Selbstvertrauen“ an, von der er spricht. Sogar seinen Job erledigt er noch nebenher, im „Co-Working-Space“ namens Hotelzimmer. Eigentlich könnte es so ewig weitergehen, oder?!