München – Als wir Mladen Steko Montagmittag zum Interview treffen, ist der 47-Jährige schon rund sechs Stunden in seinem „Büro“. Nahezu jeden Morgen sperrt er gegen 5.45 Uhr eines seiner beiden Kampfsportzentren in München auf. Und das seit 20 Jahren. „Wenig Schlaf und viel Arbeit“, sagt Steko und grinst. „Klar ist der Tag lang, aber auch abwechslungsreich.“ Gäbe es die Eierlegende Wollmilchsau, Steko käme ihr wohl ziemlich nahe. Der Mann ist ehrgeiziger Coach, kroatischer Nationaltrainer, PR-Hirn, Event-Planer, Ehepartner seiner Frau Anita, Papa von drei Mädchen und natürlich Ex-Weltmeister.
Seinen letzten Profikampf – es war gleichzeitig der erste Kickbox-Fight, der live im deutschen Fernsehen gezeigt wurde – gewann Steko 2003. Heute steht er als Trainer in der Ringecke und freut sich mit seinem Bruder Pavlica (49) auf ein besonderes Jubiläum – Steko’s Fight Night feiert am Samstag seinen 35-jährigen Geburtstag und zieht dafür in den BMW Park. Gegründet hat das Event, das mehrmals im Jahr mehrere tausend Zuschauer anlockt, Papa Ivan. Welche Rolle die kroatische Familie einmal in der Stadt einnehmen würde, war bei Mladens Geburt 1976 aber nicht annähernd abzusehen. Die ersten sechs Jahre wuchs er in Tomislavgrad im heutigen Bosnien-Herzegowina bei seiner Oma auf. Seine Eltern waren da schon nach München gezogen, um Geld zu verdienen. „Eine klassische Gastarbeiter-Geschichte“, sagt Steko rückblickend.
Was märchenhaft klingt, war harte Arbeit. In der neuen Gegend hatte er sich schnell akklimatisiert, die Beziehung zu seinen Eltern musste sich aber erst entwickeln. „Meine Eltern waren mir fremd. Meine Oma ganz klar meine Bezugsperson, das war besonders für meine Mama am Anfang nicht leicht“, so Steko. Als Papa Ivan 1982 die komplette Familie in München zusammenzog, war er bereits gesundheitlich angeschlagen. Eine Streptokokken-Entzündung hatte zu einem Nierenversagen geführt, ständige Dialyse die Folge.
Doch Papa Steko, der auf dem Bau schuftete und später eine eigene Baufirma gründete, war zäh. „Er hat sich das außerhalb der Familie nie anmerken lassen“, so Mladen Steko. „Mitleid konnte er nicht ausstehen“. Einmal veranstaltete die Familie zu Hause eine große Feier, Papa Steko war der perfekte Gastgeber. „Als der letzte Gast aus der Türe war, hat er einen Krankenwagen bestellt.“
Seine Jungs schickte Ivan, der seinen Kampf 2007 endgültig verlor, früh zum Taekwondo, Karate und Judo. Später kamen sie zum Boxen und Kickboxen. „Vater war unsere Antriebskraft. Er hat eine strenge Führung, aber er hat uns alles ermöglicht. Nach der Schule wurde die Sporttasche geschnappt und es ging ab zum Training“, so Steko.
Heute steht längst die übernächste Generation in den Startlöchern. Ivan (24), der Sohn von Pavlica und in der Jugend selbst Boxer, übernimmt eine immer größere Rolle im Trainerteam und Mladens ältere Töchter Mariela (17) und Valeria (13) räumen bereits etliche Titel ab. Auch sie haben den Arbeitseifer im Blut. Mariela modelt nebenher. Beide spielen zudem Klavier und liefern auf dem Gymnasium Topnoten.
„Ich glaube, man lebt es seinen Kindern vor, aber sie wollen es auch selbst“, sagt Mladen, der ihnen „irgendeinen Leistungssport“ schon sehr nahegelegt. Aber gab es eine ernsthafte andere Option als den Kampfsport? Wohl kaum. Mladens Mutter Anda steht im Studio jeden Tag hinter dem Tresen, auch seine Frau Anita huscht umtriebig durch die Räumlichkeiten. Der Sport bestimmt die Familie. „Er verbindet uns, aber es gibt natürlich auch Reibereien“, sagt Steko und zitiert ein kroatisches Sprichwort, dass sein Vater ihm oft sagte: „Zwei Schlechte besiegen einen Guten.“ Gemeinsam wollen sie am Samstag auch das Abenteuer BMW Park wuppen. Der Kartenabsatz für die rund 7000 Zuschauer fassende Halle ist erfreulich, aber noch ist etwas Luft für die Fight Night, die normalerweise drei- bis viertausend Fans besuchen. „Rein wirtschaftlich wäre es viel sinnvoller, wenn ich weitere Studios aufmachen würde“, gibt der studierte BWLer zu. „Aber ich bin mit dem Sport verheiratet und in ihn verliebt.“
Rund 3500 Mitglieder strömen mittlerweile zu ihm ins Training, nur rund 40 bis 50 davon steigen offiziell in den Ring. Das Milieu hat er aus seinen Studios stets herausgehalten. „Wir wollten keine Kriminelle und Straßenschläger“, erklärt Steko, der seinen endgültigen Durchbruch 2007 mit Dr. Christine Theiss feierte. Die Münchnerin schnappte sich in Portugal ihren ersten Kickbox-WM-Titel. Blutverschmierte Frau, weißer Kittel in der Arbeit, gut aussehend neben dem Ring – die Bilder begeisterten ganz Deutschland. „Sie war der Eisbrecher“, so Steko.
In den Folgejahren zeigte das Privatfernsehen die Fight Nights live, heute werden sie nur noch zeitversetzt ausgestrahlt. Oder live auf Stekos eigenem Youtube-Kanal. „Ich bin aufgewachsen mit Zeitung, Radio und Fernsehen, aber die Medienlandschaft hat sich verändert“, sagt Steko, der vor allem die jungen Leute erreichen will. „Und das schaffst du nicht mehr mit analogem Fernsehen.“ Er selbst hat von Social Media wenig Ahnung, aber er hat Fachleute dafür. Instagram (36 000 Follower), Youtube (17 200) Facebook (14 500), TikTok (629) – überall sind die Stekos vertreten.
Seine älteste Tochter Mariela könnte die und seine nächste ganz große Nummer werden. Aber sitzen da nicht der fürsorgliche Papa auf der einen und der PR-Profi auf der anderen Schulter, die ihm zuflüstern? „Das ist schon so“, sagt Steko. „Ich will es auch nicht erzwingen, aber irgendwann wird der Schritt wohl kommen, auch weil sie es selbst will.“
Zuerst spukt aber noch ein anderes große Ziel in den Gedanken des Trainer-Tochter-Duos: die Olympischen Spiele. Steko selbst war 2000 in Sydney qualifiziert, doch kurz vorher brach er sich die Hand. Aus der Traum. Da half alles Zäh-Sein nichts. Darunter leidet Mladen Steko bis heute ein bisschen, kontert dieses Gefühl aber angriffslustig und mit einem Lächeln: „Olympiasieger hatten wir noch keinen in der Familie – bisher.“
Doch das ist Zukunftsmusik. Jetzt geht es um das Jubiläum. Den BMW Park. Die zu füllenden 7000 Plätze. Das ist außerhalb Stekos Komfortzone, aber kein Problem für den 47-Jährigen: „Ich liebe Herausforderungen.“ Denen stellen sich am Samstag auch seine Kämpfer. 27 Weltmeister haben die Stekos bisher herausgebracht. Damit auch am Samstag alles glatt geht, stand am Montag noch ein Training auf dem Programm. Gegen 23 Uhr hat Mladen Steko sein zweite Zuhause zugesperrt. Und wenige Stunden später wieder auf. So wie die vergangenen 20 Jahre.