Der Fall Union Berlin

Verstrickt im eigenen Erfolg

von Redaktion

GÜNTER KLEIN

„Es ist uns egal, was die Presseschweine schreiben. Urs Fischer ist Unioner und soll es auch bleiben!“ Das stand vor eineinhalb Wochen auf einem vielfotografierten Fanplakat an der Alten Försterei in Berlin-Köpenick. Nun ist Urs Fischer nicht mehr Trainer des 1. FC Union – und niemand aus dem Umfeld des Clubs wird Dirk Zingler ein „Präsidentenschwein“ nennen. Denn de facto ist eine offiziell einvernehmliche Trennung eine Entlassung.

Wohl jeder Verein hat von sich eine besondere Wahrnehmung und proklamiert Werte, für die er stärker als andere oder exklusiv zu stehen glaubt. Bei Union Berlin war und ist das Selbstbildnis am schillerndsten, weil die Anhänger ihrem Club beim Stadionumbau geholfen und das Adventssingen erfunden haben. Aus dieser Fankultur wurde eine Einzigartigkeit auch in anderen Bereichen abgeleitet, der der Verein und seine führenden Personen nun aber nicht mehr gerecht werden können. Denn längst spielt auch der 1. FC Union mit im turbokapitalistischen Fußball-Monopoly – mit höherem Einsatz als die meisten anderen. Auch wenn das die Fans, die sich für kultig erklärten, nicht wahrhaben woll(t)en.

Union Berlin ist mit dem Aufstieg in die Bundesliga eine hohe Wette eingegangen. Die Ausgangslage war: negatives Eigenkapital, geliehenes Geld vom dubiosen Finanzierer Quattrex, teilweise Abhängigkeit auch von Investor Michael Kölmel, der um die Jahrtausendwette als einer der Stars vom damals florierenden Neuen Markt („Kinowelt“, „Sportwelt“) bei diversen in Schieflage befindlichen Traditionsclubs eingestiegen war. Bis vor Kurzem ist die Wette aufgegangen – dank der von Trainer Fischer verantworteten sportlichen Performance. Erstaunlich war vor allem, dass in bereits zwei Jahren mit internationaler Präsenz (Conference und Europa League) kein Einbruch in der Bundesliga stattfand. Über den Faktor Glück hat man dabei gnädig hinweggesehen, denn die Rahmendaten der Spiele gaben selten das Ergebnis wieder, das zugunsten Unions ausfiel. Dass Resultate dann mal nicht mehr stimmen – wird passieren.

Unions Management hat versucht, dem entgegenzuwirken, indem es sich um Qualitätszuwachs im Kader bemühte. Doch Transfers größerer Namen als der, die schon da sind, aber den Erfolg eingefahren haben, verändern eine Gruppe. Und der ganze Verein verstrickte sich im Erfolg: Er spielt Champions League im großen Olympiastadion, wo er mehr ein-, aber ein Ambiente in Kauf nimmt, das nicht zum Charakter des Clubs und zur Spielweise der Mannschaft passt.

Ein Trainerwechsel ist wahrscheinlich die richtige Maßnahme. Und notwendig, um den 1. FC Union vor einer nicht nur sportlichen Katastrophe zu bewahren. Die Berliner sind halt auch nur ein Verein wie jeder andere. Das anzuerkennen, wird seinen oft verblendet auftretenden Unterstützern wehtun. Schweinisch weh.

Guenter.Klein@ovb.net

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