Training mit Nagelsmann

Musik strukturiert das Team

von Redaktion

GÜNTER KLEIN

Ralf Rangnick ist ein älterer und innovativer Fußballlehrer, aber er war ja auch mal ein junger und innovativer Fußballlehrer. Und aus eben dieser, seiner frühen Zeit als Trainer der Amateure des VfB Stuttgart Mitte der 80er-Jahre stammt die verbürgte Geschichte, dass der studienratdynamische Rangnick zu einer Übungseinheit den Kassettenrecorder mitbrachte. Und vermutlich von der wöchentlichen Hörfunk-Hitparade aufgezeichnet, spielte er seiner Mannschaft einen Song vor, der sie zu grenzenlosem Optimismus treiben und ihr Selbstbewusstsein stärken sollte: You Can Win if You Want, den damaligen Hit des aufstrebenden Duos Modern Talking. Ralf Rangnick ist also der Erfinder des Fußballtrainings mit Musik. Nicht dass jemand draufkommt, Julian Nagelsmann als solchen zu benennen. Ja, er hat die erste Viertelstunde der Trainingseinheiten auf dem Frankfurter DFB-Campus vor seiner Bundestrainer-Heimpremiere am Samstag beschallen lassen – aber eigentlich nur etwas wiederaufgenommen, was es schon einmal gab.

Dass Musik im Sport antreibt, ist bekannt. Im Marathon sind Läufer schon disqualifiziert worden, wenn sie einen Knopf im Ohr trugen und eine Playlist abspielten – ist quasi wie Doping. Im Training ist Musik legitim, also muss sich auch die deutsche Fußball-Nationalmannschaft nicht vor einer unangemeldeten Trainingskontrolle fürchten und dass da plötzlich ein Typ von der NADA steht, Smartphones und die Boombox konfisziert.

Im Fußball hat Musik auf alle Fälle die Funktion, dass sie eine Mannschaft strukturiert. Für die Auswahl der Musik werden oft Zuständige aus den jüngeren Jahrgängen bestimmt, und die Aufgabe der Älteren im Team ist es, sich entsetzt über den Geschmack der Jugend die Ohren zuzuhalten und so ihrer Rolle als Senioren, die sportlich mehr in der Verantwortung stehen, bewusst zu werden. Das ist einfacher, effektiver und preisgünstiger, als fürs Teambuilding ein Überlebenstraining oder eine Rafting-Tour zu buchen.

Superwild waren die ersten Trainingsbeschallungen der DFB-Ära Nagelsmann aber nicht. Denn ohne Jamal Musiala und nur noch mit Florian Wirtz ist der Kader in der Altersklasse bis 20 unterbesetzt. Nagelsmann nominiert lieber Spieler um die 30 und darüber. Über der Hiphop- und Deutsch-Rap-Grenze.

Aber jetzt schauen wir mal, ob das Training mit Musik sich am Samstag gegen die Türkei auszahlt. Fordernder wird’s auf alle Fälle am Dienstag in Wien. Österreichischer Trainer ist nämlich Ralf Rangnick, und er wird seinen Spielern vermitteln: You Can Win if You Want.

Guenter.Klein@ovb.net

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