Kimmich und Gündogan – es passt nicht

von Redaktion

Als Doppelsechs kann das Duo kaum Impulse setzen – einen Freifahrtschein gibt es für keinen

VON MANUEL BONKE

Berlin – Ist das deutsche Mittelfeldzentrum nicht groß genug für die beiden? Kapitän Ilkay Gündogan (33) und Joshua Kimmich (28) bildeten beim 2:3 (1:2) gegen die Türkei die Zentrale der Nationalmannschaft. Gündogan übernahm dabei den defensiveren Part, ließ sich häufig zwischen die Innenverteidiger fallen und versuchte, das Spiel in brenzligen Situationen gegen die aggressiv anlaufenden Türken zu beruhigen. Kimmich brachte seine Offensivkollegen mit seinen präzisen Chip-Bällen regelmäßig in aussichtsreiche Positionen. Trotzdem hatte man im Berliner Olympiastadion nicht den Eindruck, dass einer von beiden dem Spiel entscheidend seinen Stempel aufdrücken wollte.

Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus (62) ging bei seiner Analyse nach Abpfiff sogar noch einen Schritt weiter: „Gündogan und Kimmich, das hat man auch bei der WM gesehen, passen auf der Doppelsechs nicht zusammen, weil sie sich zu ähnlich sind. Das sind zwei große Spieler, ich würde fast sagen Weltklassespieler, aber sie tun sich nicht gut, wenn sie zusammen spielen.“

Daher würde es Matthäus begrüßen, wenn Gündogan oder Kimmich im Zentrum auflaufen – und zwar an der Seite von Leon Goretzka (28) oder Pascal Groß (32). „Ein Sechser, der vor der Abwehr aufräumt, das ist weder Gündogan noch Kimmich.“

Fakt ist: Das Duo Gündogan/Groß harmonierte auf der USA-Reise. Groß übernahm den Part des Abräumers, damit Gündogan seine Offensivstärken im Passspiel entfalten konnte. Ein ähnliches Modell, wie es mit ihm und Rodri (27) bei Manchester City praktiziert wurde. In Barcelona tut sich Gündogan nach seinem Wechsel im Sommer noch immer schwer.

Zur Wahrheit gehört auch: Gündogan hat im DFB-Dress nie annähernd sein Leistungsniveau aus England erreicht. Trotzdem blieb er auch unter Bundestrainer Julian Nagelsmann Kapitän. Während Gündogan auf und neben dem Platz als ruhiger Anführer gilt, scheut Kimmich nicht davor zurück, Kollegen auch mal verbal lautstark anzupacken und sie so mitzureißen, wenn es auf dem Platz mal nicht läuft. Ihm ist es dann auch egal, wenn er damit aneckt, solange der Erfolg stimmt – wichtige Anführer-Qualitäten.

Der Bundestrainer muss sich jetzt überlegen, wie er die Stärken beider Spieler am besten bündeln kann. „Ich halte von beiden extrem viel, das ist das Allerwichtigste. Aber natürlich müssen wir immer auch gucken, was der Gegner uns anbietet und was das Spiel verlangt“, sagt Nagelsmann. Eine Startelf-Garantie wollte er aber niemandem geben: „Das ist niemals despektierlich irgendeinem Spieler gegenüber, aber ich habe immer gesagt: Es ist keiner gesetzt. Jeder ist eingeladen, sein Bestes zu geben und danach stelle ich auf.“

Egal ob Gündogan oder Kimmich: Nagelsmann sieht keinen Sinn darin, einem Spieler einen Freifahrtsschein zu geben. „Jeder muss sich zerreißen – und dann müssen wir schauen, dass es passend zum Gegner gut funktioniert. Und dann werden wir hoffentlich auch die richtige Entscheidung treffen.“

Es bleibt also spannend, mit welchem Personal Nagelsmann seinen Maschinenraum am Dienstag beim Testspiel in Wien gegen Österreich (20.45 Uhr, ZDF) besetzen wird.

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