TV-KRITIK
Alle waren gestern gespannt, ob das ZDF seine Mannschaft komplett durcheinanderwürfelt, frei nach Julian Nagelsmann. Katrin Müller-Hohenstein als Regisseurin, Claudia Neumann als schweigende Maskenbildnerin – das wäre Experimentierfreude à la Jule gewesen. Schlussendlich ist das Zweite bei der 19. Cordoba-Revanche (wir haben nachgezählt) aber seiner Traditionstaktik treu geblieben. Daran sollte sich Julian ein Beispiel nehmen.
Der Moderator: Wenn der FC Bayern im Pokal spielt, also dreimal pro Saison, muss am Anfang im Fernsehen Vestenbergsgreuth laufen, das ist Vorschrift. Bei Österreich – Deutschland muss immer Hansibuale Krankl einschießen. An diesen schönen Brauch hielt sich das Zweite. Jochen Breyer machte deutlich, dass es sich um ein „Stimmungs-Endspiel“ gegen Vestenbergsösterreich handelt. Aber er dramatisiert angenehm undramatischer als Hyperventilier-Hellmann bei Sky. Als Breyer verraten hat, dass Österreich – Deutschland „nicht mehr das Duell David gegen Goliath“ ist, haben wir uns gedacht: Bist du deppert? Wir Piefkes geben doch einen formidablen David ab.
Der Experte: Vor dem Spiel war nur 20 Minuten Zeit zum Ratschen. Das kam Per Mertesacker entgegen, der als norddeutsches Kaltblut eher ungern redet. Das „Emotionsniveau“ ist bei ihm niedrig, wie es im komplexen Nagelsmann-Deutsch heißt. Wenn er mal was sagt, ist es aber sinnvoll. In Sachen Linksverteidiger Havertz empfahl Merte dem Bundesjulian, sich bei Arsenal-Trainer Mikel Arteta nach der Sinnhaftigkeit der dubiosen Idee zu erkundigen. In der Pause stellte er zurecht einigermaßen empört die „Charakterfrage“.
Der Kommentator: Olli Schmidt plauderte so kurzweilig wie kurios. Julian Nagelsmann ernannte er zum „Klimawandler im deutschen Fußball“. Der Bundestrainer geriet dann aber schnell in die Klimakrise. Da grantelte Schmidt über die lediglich „Optische Kontrolldominanz“ der DFB-Elf, was nach einer neuen Nagelsmann-Wortschöpfung klingt. Beim Ösi-1:0 hatten die Deutschen ganz schlechte Karten: „Das ist karoeinfach, das ist karogut gemacht, das ist aber auch karoschlecht verteidigt.“ Gleichzeitig ahnte Schmidt, wie sich der arme Kevin Trapp fühlt: „Er kommt sich bisweilen vielleicht auch verarscht vor.“
Das „vielleicht“ wäre gar nicht nötig gewesen.