„Es ist noch eine Don-Jackson-Mannschaft“

von Redaktion

TV-Experte Basti Schwele über München im Übergangsjahr und die Herausforderung Genf

München – Es ist ein bedeutendes Spiel für den EHC Red Bull München: Heute (19.45 Uhr/kostenpflichtiger Stream bei sportdeutschland.tv) tritt er im Rückspiel des Achtelfinales der Champions Hockey League (CHL) bei Servette Genf an und muss den knappen Vorsprung aus dem 3:2 im Hinspiel verteidigen. Einer, der beide Clubs gut kennt, ist Bastian Schwele (47). Der steht in den Annalen des 1998 gegründeten EHC München (damals: HC 98) als erster Torschütze, kommentiert die Deutsche Eishockey Liga (DEL) bei MagentaSport und übertrug drei Jahre lang, bis 2020, Partien der Schweizer Liga beim dortigen Sender MySports.

Basti Schwele, man sagt Deutschen und Schweizern im Eishockey eine gepfefferte Rivalität nach. Warum ist das so?

Als Eishockeyspieler wächst man damit auf, dass es – neben den Spielen gegen Österreicher – das Nachbarschaftsduell ist, teilweise hat man bei der Schweiz auch das Deutschsprachige dabei. Aber was den Umgang im Beruf betrifft, da erlebe ich eine solche Rivalität gar nicht. Als ich in der Schweiz gearbeitet habe, war das immer ein sehr gutes Miteinander, cool, nett und gar nicht derbymäßig. Zu Patrick Fischer, dem Nationaltrainer, ist sogar eine richtige Freundschaft entstanden. Natürlich: Aus Ligensicht besteht ein Konkurrenzverhältnis. Da sagt man als Deutscher, dass unsere Liga die bessere ist, und ein Schweizer würde kontern: Nein, unsere ist das Maß aller Dinge.

Wer hat Recht?

Der Schweizer. Seine Liga ist gut und entertaining. Von der Aufmerksamkeit bist du nicht weit weg von der Nummer eins, bist auf Augenhöhe. Jedes Spiel, jeder Satz sorgt für einen medialen Aufschlag. Und die Art und Weise, wie in der Schweiz gespielt wird, ist einen Ticken moderner als bei uns und steht mehr für eine europäische Identität. Die DEL ist stärker nordamerikanisch geprägt.

Im Kader von Servette Genf finden wir zwar auch Josh Jooris, den Sohn des früheren DEL-Stars Mark Jooris, doch hervorstechend sind die vier Finnen.

Richtig. Sakari Manninen, Teemu Hartikainen, Valtteri Filppula – viel bessere Spieler hat auch eine Weltmeisterschaft nicht zu bieten. Das ist Masterclass. Auch Sami Vatanen, der als Verteidiger die Scorerwertung anführt. Aber bei Offensivverteidigern hat Genf auch eine Tradition. Der Schwede Henrik Tömmernes hat sechs Jahre lang die Liga eingeschossen.

Naiv gefragt: Warum spielen solche Kaliber in der Schweiz?

Wegen dem Geld. Man verdient dort eine Stange mehr als in anderen Ligen. Nach der schwedischen und der Schweizer klafft ein Loch, dann kommen DEL und Finnland. Es ist eine andere Kategorie auch für die einheimischen Spieler, da gibt es Verträge, wo man an der Million kratzt oder drübergeht. Daran ist in Deutschland nicht zu denken.

Valtteri Flippula, der Weltmeister und Olympiasieger wurde plus den Stanley Cup gewonnen hat, ist aber schon 39, seine Landsleute haben die 30 auch überschritten.

Na ja, die DEL holt auch mal ältere Ausländer. Wie Straubing den 36-jährigen Justin Braun aus der NHL. Die American Hockey League zahlt mittlerweile auch besser, sodass Spieler nicht mit Mitte zwanzig nach Europa gehen, sondern erst, wenn der Traum von der NHL ausgeträumt ist-

Wie gut ist Servette bei den Schweizer Spielern aufgestellt?

Vincent Praplan, Noah Rod und Tim Berni sind erfahrene Nationalspieler und bereits Vizeweltmeister geworden, außergewöhnlich ist Robert Mayer, der Schweizer Torwart mit tschechischem Hintergrund. Er galt lange als eine Nummer zwei, hat vom Trainer aber das Vertrauen bekommen und war ein Schlüsselspieler für die Meisterschaft. Er ist auch Nationaltorwart, hat bei der WM dieses Jahr im Viertelfinale gegen Deutschland gespielt – was dann aber nicht das Wahre war.

Servette Genf trägt das Gründungsjahr 1905 im Wappen, wird bei uns aber nicht als der klassische Schweizer Eishockey-Standort wahrgenommen.

Genf und Lausanne liegen in der französischsprachigen Schweiz, das ist eine eigene kleine Welt mit einem eigenen Selbstverständnis. Man könnte Genf das europäische Quebec oder Montreal nennen. Genf ist 2023 zum ersten Mal Meister geworden, und dieser Titel war schon ein großes Ding für die französischsprachige Schweiz.

Die Geschichte des Clubs ist wechselhaft. Die amerikanische Anschutz-Gruppe, die die München Barons betrieb und hinter den Eisbären Berlin steht, übernahm Servette 1999 und stieg 2005 wieder aus. Es folgte die Ära des Kanadiers Chris McSorley.

Der war dort alles, Besitzer, Sportdirektor, Trainer, sogar das Stadionrestaurant hat er betrieben und eine eigene Burger-Kette. Er hat etwas riskiert, als er den Club übernahm – doch auch viel Geld abgezogen. Als er 2018 ging, war Genf kurz vor der Pleite. Jetzt betreibt das Bündnis „Fondation 1890“ den Club, und die hat richtig Asche.

Muss Genf die Champions League gewinnen?

Müssen sie nicht. Aber es ist ein Wettbewerb, der sich enorm etabliert hat – bis auf den neuen TV-Vertrag – und den man gewinnen will. Die CHL ist halt noch nordisch geprägt, daran zeigt sich aber auch, dass Schweden und Finnland in Europa beherrschend sind.

München macht aus seinen internationalen Ambitionen keinen Hehl. Doch die Mannschaft will nach dem Trainerwechsel von Don Jackson zu Toni Söderholm nicht so recht in Gang kommen. Wie sehen Sie den EHC?

In einem Übergangsjahr. Der Schatten von Don ist ein langer, der ganze Club war auf ihn ausgerichtet. Toni will und muss da einiges aufbrechen, um voranzukommen. Ich persönlich glaube, dass es allerdings immer noch eine Jackson-Mannschaft ist, die da auf dem Eis steht, und keine Söderholm-Mannschaft. Tonis Eishockey würde ganz andere Spieler erfordern. Sein System hat er schon verlassen, ist Kompromisse ein- und auf das zurückgegangen, was der Mannschaft besser liegt.

Interview: Günter Klein

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