Wien – Die Geschichte stand eigentlich schon vor Anpfiff. Haupthandlungsträger war Joshua Kimmich, nicht im Spieldress, sondern im lilafarbenen Leibchen auf der Ersatzbank, und garniert wurde die Story von den Worten von Julian Nagelsmann. „Wir können nicht immer mit denselben Pärchen spielen“, hatte der Bundestrainer vor Anpfiff der Partie seiner deutschen Nationalelf in Österreich mit Blick auf sein überraschend aufgestelltes Mittelfeld-Duo Leon Goretzka und Ilkay Gündogan gesagt. 90 Minuten, ein 0:2 (0:1) in Wien inklusive einer Roten Karte für Leroy Sané später allerdings war Bankdrücker Kimmich das geringste Problem des 36-Jährigen – und der gesamten Fußballnation.
Wieder nichts. Wieder kein Sieg, sondern eine Niederlage, die sechste im elften und letzten Länderspiel des absolut verkorksten DFB-Jahres – und das auch noch beim Nachbarn. Schlimmer hätte es zum Abschluss 2023 kaum kommen können. Drei Tage nach dem 2:3 gegen die Türkei war es Marcel Sabitzer (29.), der das Team von Ralf Rangnick gegen die überforderten und unsicheren Deutschen vollkommen zurecht in Führung brachte (29.), Christoph Baumgartner (73.) machte gegen zehn deutsche Mann alles klar. Aufbruchsstimmung für die EURO? Fehlanzeige! Oh weh, DFB!
Nagelsmann hatte sich vor der Partie darum bemüht, „nicht alles schwarz zu malen“. Und er hatte sich bei seiner Aufstellung etwas gedacht. Statt Benjamin Henrichs, Florian Wirtz und eben Kimmich durften diesmal Mats Hummels, Leon Goretzka und Serge Gnabry ran. Allerdings fungierte Kai Havertz wie schon in Berlin als linker Verteidiger. Wie schon in Berlin tat er das in einer Abwehr, die alles andere als sattelfest war – und von der ÖFB-Elf vor 48 500 Zuschauern immer wieder überrascht und überrannt wurde.
Der Matchplan der Österreicher war klar: Frühes Pressing sollte die Gäste zu Fehlern zwingen – das gelang bestens. Vor allem Rüdiger und Jonathan Tah leisteten sich immer wieder haarsträubende Aufbaufehler und Fehlpässe, die die flinken Gastgeber zu bestrafen wussten. So konnten sich die Hintermänner bei Kevin Trapp bedanken, dass es nicht schon nach 17 Minuten 1:0 stand – er blieb gegen Michael Gregoritsch stehen. Ein wildes Hin und Her mit vielen Umschaltmomenten für Österreich prägte die ersten 45 Minuten, das 1:0 war hochverdient. Gregoritsch schickte Sabitzer, der Tah am Sechzehner austanzte, tunnelte und ins kurze Eck traf.
Tatsächlich dauerte es bis zur 28. Minute bis zur ersten deutschen Halbchance. Sané schickte Brandt vergeblich und versuchte es kurz danach selbst (32.), auch Serge Gnabry schloss zu schwach ab (40.). Dafür hätte Christoph Baumgartner das 2:0 erzielen können (43.).
Pause, Thomas Müller kam, aber noch vor dessen erster Aktion sah der zunehmend frustrierte Sané Rot, nachdem er sich gegen Phillipp Mwene nach Provokation zu einer Tätlichkeit hinreißen ließ. Posch traf danach fast zum 2:0, Trapp rettete gegen Gregoritsch (64.). Nagelsmann stellte alles um, es wurden Zettel um Zettel überreicht, aber es reichte nicht. Baumgartner war nach Alaba-Vorarbeit und Gregoritsch-Abpraller eiskalt. „Oh wie ist das schön“ sang das Ernst-Happel-Stadion ab Minute 75, während die DFB-Elf zwar besser wurde, aber vergeblich anrannte. Immerhin verhinderte man im Kollektiv das 0:3. Trapp hielt – und dann war Kimmich, der Joker, zur Stelle. Randnotiz.