Bonn/München – Dem Club, für den er seit 2013 spielte, bei dem er sein 1000. DEL-Match absolviert hatte, fühlte sich Yannic Seidenberg auch noch zugehörig, als er seinen Platz in der Kabine längst hatte räumen müssen. Er war Ende April 2023 in der Halle, als der EHC Red Bull München gegen den ERC Ingolstadt Meister wurde und Don Jackson, der ihn vom Stürmer zum Verteidiger umgeschult hatte, ein letztes Mal an der Bande stand.
Yannic Seidenberg war aber seit dem 14. September 2022 kein Teil der Mannschaft mehr. An diesem Tag hatte die Nationale Anti Doping Agentur (NADA) gegen ihn eine vorläufige Suspendierung ausgesprochen. Anlass: eine positive Dopingprobe. Ende März 2023 hatte die NADA eine Sperre von vier Jahren gefordert, das von der Seidenberg-Seite angerufene Deutsche Sportschiedsgericht hat sie nun bestätigt. Erst im September 2026 würde die Sperre also ablaufen. Dann wird Seidenberg, der zum Silber-Team bei den Olympischen Spielen 2018 zählte, 42 sein. Er darf bis dahin nicht nur nicht spielen, sondern, so NADA-Sprecherin Eva Bunthoff, keine Tätigkeit im Sport verrichten, also auch nicht als Trainer, im Management oder einem Verband arbeiten.
Noch bleibt Seidenberg die Option, vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS zu ziehen. Seidenbergs Anwalt, Professor Rainer Cherkeh (Hannover), teilte auf Anfrage mit: „Der Schiedsspruch vom 13. 11. 2023 ist nicht rechtskräftig. Die Einlegung eines Rechtsmittels wird geprüft.“ Die Frist beträgt 21 Tage ab Zustellung. Laut Cherkeh sei die Entscheidung im Schiedsgericht, besetzt mit drei Personen, „mehrheitlich, nicht einstimmig“ gefallen.
Bei einer Trainingskontrolle, die am 19. Januar 2022 genommen wurde, als Seidenberg noch als Kandidat für den Olympia-Kader für Peking galt, waren Testosteron und die Substanz DHEA gefunden worden, die zu den anabol-androgenen Steroiden gehört und auf der Verbotsliste steht. Seidenberg machte dafür seinen Arzt verantwortlich, Anwalt Cherkeh führt diese Argumentation noch einmal ins Feld: Sein Mandant hätte „den ihn behandelnden Arzt mit Blick auf mögliche Dopingkontrollen… angewiesen… , ihm keine nach der Verbotsliste untersagten Substanzen zu verschreiben“. Außerdem: „Die Verschreibung von Medikamenten durch den Arzt erfolgte aufgrund einer medizinischen Indikation.“ Cherkeh weiter: „Ein Athlet, der mit Blick auf mögliche Dopingkontrollen der Aussage seines Arztes zur Unbedenklichkeit der verschriebenen Medikamente vertraut und aufgrund einer medizinischen Indikation behandelt wird, handelt nach unserer Auffassung nicht absichtlich, sondern – wenn überhaupt – mit nur leichtem Verschulden, womit allenfalls eine geringe Sperre hätte ausgesprochen werden können.“ Das Schiedsgericht sehe das Vorliegen von „Substanzieller Hilfe“ als gegeben an.
Zwei Punkte noch: Warum vergingen neun Monate von der Dopingprobe bis zur Suspendierung? Eva Bunthoff von der NADA: „Die Analyse braucht Zeit.“ Und was bedeutet es, dass „alle Wettkampfergebnisse“ zwischen 19. Januar und 14. September 2022 aberkannt würden? Eva Bunthoff: „Es ist ein Standardsatz, er bezieht sich auf den Einzelsportler.“ Die Mannschaft, der EHC München, ist nicht betroffen. Allerdings sind „Medaillen und Preise“ betroffen, Seidenberg müsste also Prämien für Platzierungen, Tore, Assists zurückzahlen. Die Verfahrenskosten muss er ohnehin tragen. GÜNTER KLEIN