München – Andreas Wellinger ließ sich Zeit, bis er sich der Springer-Konkurrenz in diesem Sommer zeigte. Erst Ende September in Hinzenbach ließ er sich auf den Matten sehen. Am Ende stand er wie selbstverständlich ganz oben auf dem Siegertreppchen. „Sauguter Einstieg“, sagte er, er wieder seiner Wege ging. Das entlockte dann doch auch seinem Trainer Stefan Horngacher ein Lächeln. „Der Andi springt noch einmal auf einem höheren Level als im vergangenen Jahr“, befand der Tiroler, „ich gehe stark davon aus, dass er heuer ein deutliches Wort mitsprechen kann.“
Der Freitag dürfte da schon die ersten kleinen Aufschlüsse bringen. Um 16 Uhr (Eurosport) nimmt mit der Qualifikation in Kuusamo die neue Weltcupsaison ihren Anfang. In der der 28-Jährige das beste Argument des Deutschen Skiverbandes im Rennen gegen die Allergrößten um Weltcup-Champion Halvor Egner Granerud sein will.
Dass er das Zeug dafür hat, blitzte in der Vorsaison auf. Kurz vor der WM in Planica siegte Wellinger in Lake Placid und Rasnov. Durchbrach als erster Sportler nach dem Norweger Kenneth Gangnes das alte Gesetz der filigranen Fliegerszene, dass man nach einem Kreuzbandriss kein Siegspringer mehr sein kann.
Horngacher hatte das seinerzeit so erklärt, Wellinger habe die besondere Gabe, Unbekümmertheit und Biss zusammenzubringen. Das hat ihm vermutlich auch in diesem Sommer geholfen. Einmal mehr hat der Weltverband FIS an seinem Reglement geschraubt. Ein neue Körpermessung für die Anzüge, Änderungen an der Bindung – kleine Details, die aber groß genug waren, dass auch Kollege Karl Geiger genervt murrte: „Es wäre schön, wenn die Dinge einfach mal wieder bleiben würden, wie sie sind.“
Von Andreas Wellinger hat man derlei Töne nicht gehört. Er hat sich sogar kurz vor dem Start ins Wintertraining noch einmal ein paar entspannte Sonnentage auf Mykonos gegönnt. Vielleicht kein Zufall, dass er der Saison in diesen Tagen mit einem Strahlen entgegen schwebt während Geiger noch nach der Balance in seinen Sprüngen sucht. Oder Ex-Weltmeister Markus Eisenbichler, der im Sommer auch noch seine Polizeiausbildung beendete und es gar nicht erst in den Weltcup-Kader für die ersten Saisonwochen schaffte.
Was nicht heißt, dass Wellinger kein Mann für deutliche Worte wäre. Dem Ruhpoldinger stößt sauer auf, dass Johan Eliasch, der Self-Made-Milliardär an der Spitze der FIS, das Reglement in Sachen Werbung auf den Helmen strenger auslegen will. Maximal 50 Quadratzentimeter darf ein Logo laut Reglement groß sein. Doch nicht zuletzt Wellingers Sponsor Red Bull lässt die Helme seiner Athleten komplett in den Markenfarben Blau und Silber einfärben. Zwischen dem Getränkehersteller und den FIS-Mächtigen kam es zu einem heftigen Streit. Ausgang (noch) ungewiss. Wellingers Meinung ist aber klar: „Ich finde es absolut dämlich“, sagte er, „ich glaube, dass der Wintersport langfristig durch so etwas kaputt gehen wird.“ Denn klar ist: Wenn Red-Bull Helme reglementiert werden, dann wird das etwa bei Karl Geigers rosa „Manner“-Helm nicht anders sein. Wie weit die Geldgeber das hinnehmen, bleibt abzuwarten. Wellinger wundert es genauso wenig wie die bevorstehenden organisatorischen Einschnitte, wie die Streichung der Teamspringen bei Olympia ohne Einbindung der Athleten. „Das findet ganz weit über unseren Köpfen statt“, sagte er, „wir sind die, die es ausbaden müssen.“
Doch nun geht es erst einmal in die Saison. In der die Skiflug-WM in Bad Mitterndorf ein eher überschaubares Highlight ist. Wellinger schaut deshalb schon einmal vorsichtig in Richtung Vierschanzentournee, die auch ihm in seiner respektablen Trophäensammlung noch fehlt. „Wenn ich nur ansatzweise so gut präpariert bin wie jetzt, werde ich mit einem Lächeln da stehen“, sagte er, „was dann heraus kommt, ist eine andere Frage.“ PATRICK REICHELT