Wien – Immerhin, die Nation war daran interessiert, wie ihre Auswahlkicker das 2:3-Heimpleite gegen die Türkei am Wochenende weggesteckt haben: 8,2 Millionen Zuschauer schalteten am Dienstagabend ein, um das Spiel in Wien gegen Österreich zu sehen. Was sie geboten bekamen: Ein einziger Graus, 0:2 gegen den Nachbarn, inklusive breit gestreuter Häme. Der Marktanteil von 31,2 Prozent dürfte die dilettierenden Kicker erschrecken, jeder dritte TV-Apparat zeigte ihr Unvermögen.
Die meisten Fans werden Rudi Völler zustimmen, der als DFB-Sportdirektor die Sprache der Fans wählte, um den Auftritt von Gündogan & Co. zu bewerten: „Die Art und Weise, das ist nicht schön, das können wir uns nicht gefallen lassen!“
Die Frage ist, wie’s besser geht. Da hilft ein Blick über den Tellerrand. Deutschland hat Weltmeister zu bieten (Basketball, U21-Handball) und andere heiße Teams. Was die besser machen, was den Kickern fehlt: Sportpsychologe Matthias Herzog erklärt es im Interview mit unserer Zeitung.
Herr Herzog, wie wichtig ist ein Verantwortungsgefühl gegenüber dem Land und den Fans als Nationalspieler?
Früher war es eine Ehre, für sein Land zu spielen, man war stolz darauf, den Adler auf der Brust zu tragen. Da wurde gefightet. Die Fußballer haben ja auch Vorbildfunktion gerade für Kinder. Das hören wir auch heute noch von vielen Sportlern, die bei Olympia starten, welche Ehre es ist und wie genial sie es finden. Schauen Sie sich Alexander Zverev an, der Olympia-Gold gewann und stolz war, es für Deutschland geholt zu haben. Alle anderen Teamsportler kämpfen für Olympia, in Deutschland interessiert sich gefühlt kein Bundesligafußballer dafür.
Wie viel Verantwortungsgefühl haben die Spieler von Julian Nagelsmann?
Was die Nationalspieler auf dem Platz zeigen, grenzt an Arbeitsverweigerung. Und: Das Verhalten unserer Fußballer ist respektlos den Fans gegenüber. Die reisen teils hunderte oder tausende Kilometer, zahlen teure Tickets und bekommen dafür keine Leistung geboten.
Haben die Spieler den Ernst der Lage erkannt?
Die Aussagen sind alles leere Worthülsen. Wie oft haben uns die Spieler schon erzählt, dass sie endlich handeln müssen, dass sie es besser machen wollen, dass sie stolz sind, fürs Land zu spielen, dass sie es ihren Fans schuldig sind. Bla, bla, bla. Was ist seither passiert? Ein gutes Spiel gegen Frankreich. Wow. Und wieder der alte Trott. Alle ergeben sich der Lethargie. Und es kommt nichts.
Was ist der Unterschied zu deutschen Spielern im Eishockey (Vize-Weltmeister), Basketball (Weltmeister), Volleyball (Olympia-Quali), Handball (U21-WM-Titel)?
Diese Mannschaften zeigen, dass selbst Millionäre als Team agieren können, wenn es ihnen weiterhin um die Sache – den Sport geht. Was hatte die Basketball-Mannschaft an NBA-Spielern am Start? So viele wie noch nie. Und für das Geld spielen die auf jeden Fall nicht für die Nationalmannschaft. Denn da gibt es nur einen Bruchteil von den Titelprovisionen, wie im Fußball. Und ein Dennis Schröder ist kein leichter Charakter. Aber er war auch bereit, sein Ego zurückzunehmen, als es im WM-Halbfinale nicht so lief. Da hat er sich in den Dienst der Mannschaft gestellt und anderen den Vortritt gelassen.
Heißt im Klartext: Die DFB-Spieler sind zu satt?
Satt, gepampert, gepudert, verweichlicht.