Wenn der erste Schreck verdaut ist, hat es eigentlich nur Vorteile, in eine sogenannte „Todesgruppe“ gelost worden zu sein. Scheidet man aus, gelten die starken Gegner als Ausrede. Scheidet man nicht aus, wird man doppelt gelobt. Im Fall von Borussia Dortmund ist heuer trotz eines durchwachsenen Starts inklusive Gruppen-Aus-Angst Zweiteres passiert. Aber mal ganz abgesehen vom Wort „Todesgruppe“ darf man dem Team vor Edin Terzic für seinen Auftritt auf der europäischen Bühne Respekt aussprechen. Der BVB steht im Achtelfinale, weist die beste Abwehr der Gruppe auf, siegte zweimal ohne Gegentor gegen die Neureichen aus Newcastle und gewann verdient beim letztjährigen Halbfinalisten Milan. Man könnte laut schreien: ES GEHT DOCH!
Die Reaktionen am Dienstagabend waren positiv, man vernahm eine Mischung aus Stolz und Erleichterung. Verständlich aber ist, dass sich externe Beobachter wie interne Analysten fragen, warum das Terzic-Team so gut kann – aber auch anders. Keine drei Wochen ist es her, als man dem 2:0 gegen Newcastle den blutleeren Auftritt beim 1:2 gegen Stuttgart folgen ließ und die so ungeliebte Mentalitätsfrage befeuerte. Warum fehlen in der Liga zehn Punkte auf die Spitze? Warum schießt man die wenigsten und kassiert die meisten Tore unter den Top-5-Teams? Manch einer verweist auf die Qualität des Kaders, andere nehmen den Meister-Knacks aus dem Vorjahr als Erklärung, auch der Trainer erntet Kritik. So oder so schlummert in diesem Team Potenzial, das zu schade ist, um zu verpuffen.
Jetzt, wo der erste Teil der Königsklasse mit Bravour gemeistert wurde, könnte man den Beweis dafür bestens erbringen. In der Liga geht es im Jahresendspurt noch gegen die direkten Konkurrenten Leverkusen und Leipzig, im Pokal kann sich Dortmund am VfB revanchieren. Ein gelungenes Finale 2023 würde für die Zeit nach dem Jahreswechsel nicht nur die finanzielle Sicherheit bringen, die durch den Einzug in die K.o.-Runde der Champions League gegeben ist, sondern auch das Selbstvertrauen, es mit namhaften Gegnern aufnehmen zu können.
Denn anders als viele andere Achtelfinalisten wie der FC Bayern, Real Madrid, ManCity oder der FC Barcelona versprüht der BVB trotz der guten Gruppen-Performance keinen Schrecken. Weil jeder das Gesicht des BVB kennt, wenn er nicht gerade in der „Todesgruppe“ spielt.
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