„Dürfen nicht noch mehr an Boden verlieren“

von Redaktion

EHC-Kapitän Hager über die Achterbahn-Saison, Anspruchsdenken und den Trainer-Umbruch

München – Er hat in dieser Saison bislang zwei Gesichter, der deutsche Eishockey-Meister EHC Red Bull München. Ansehnlichen Auftritten ließen die Spieler von Neu-Trainer Toni Söderholm immer wieder Durchhänger folgen. Kapitän und EHC-Dauerbrenner Patrick Hager (35) findet es bislang angesichts der Umbruchphase des Vereins nach dem Ende der Ära von Erfolgscoach Don Jackson noch nicht beunruhigend. Doch vor dem Spiel an diesem Freitag am Oberwiesenfeld gegen den Tabellenzweiten Pinguins Bremerhaven (19.30 Uhr) nimmt Hager sich und sein Team im Interview in die Pflicht.

Herr Hager das vergangene Wochenende war im Extrem ein Spiegel der bisherigen EHC-Saison. Einem 2:7 in Augsburg folgte ein 5:1 über Mannheim. Es ist eine Saison der Wellen …

Ja, das ist korrekt. Und es gibt sicher Gründe, die dazu beitragen. Neuer Trainer, neues System, neue Spieler. Jeder hat auch eine neue Chance beim Trainer auf eine neue Rolle. Da muss sich das ganze Gefüge neu finden. Wir hatten Phasen, wo das schon ganz gut funktioniert hat. Allerdings hatten wir eben auch Phasen, wo wir schlecht gespielt haben. Und leider hatten wir auch Begegnungen wie beispielsweise die beiden Partien in Straubing oder das Heimspiel gegen Ingolstadt, die wir unnötig aus der Hand gegeben haben – Punkte, die uns jetzt natürlich fehlen.

In den genannten Spielen hatte die Mannschaft die Wellen auch innerhalb des Spiels. Gegen Augsburg wie Ingolstadt kassierten sie binnen weniger Minuten fünf bzw. vier Tore. Wie ist das zu erklären?

Wenn man genau hinschaut, waren es meist individuelle Fehler, die zu den Gegentreffern geführt haben. Beide Gegner haben das auch sehr konsequent genutzt. Und dann kommst du unter die Räder. Keine Frage, man darf so nicht spielen. Gerade in einem Derby nicht. Aber am Ende des Tages ist es auch nur eine Niederlage. Und wir haben am Sonntag die richtige Reaktion gezeigt. Darauf müssen wir aufbauen.

Was passiert nach einem Spiel wie in Augsburg? Haut der Kapitän auf den Tisch?

Das ist ein Mix aus allem. Da gehört es auch dazu, dass du in den richtigen Momenten mal die Tür zumachst und unter den Jungs über alles sprichst. Dass im richtigen Moment aber auch die Trainer da sind, um zu sehen, wann Druck oder wann auch mal mehr Spaß nötig ist.

Was relativ neu war, war die heftige Reaktion der Fans. Teile haben am Sonntag zunächst die Unterstützung verweigert. Nachvollziehbar?

Klar ist das nachvollziehbar. Die haben sich auf den Weg nach Augsburg gemacht und haben natürlich etwas anderes erwartet. Ich habe in meiner Karriere auch in anderen Vereinen gespielt. Da haben sich unzufriedene Fans vor den Spielerausgang gesetzt oder am Mannschaftsbus gewartet. So weit sind wir zum Glück nicht. Ich hoffe, unsere Leistung am Sonntag hat dazu beigetragen, dass wir uns wieder versöhnen konnten. Die Fans wissen schon auch, was sie an uns haben. Was wir ihnen in den letzten Jahren geboten haben. Als die schwierigen Phasen vielleicht mal 9 von 11 verlorenen Spielen in einem Monat waren. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg.

TV-Kommentator Basti Schwele sagte kürzlich, der Münchner Fan sei verwöhnt.

Das ist doch der Anspruch, der generell in der Stadt herrscht. Und den übernehmen wir nahtlos, seit Red Bull dabei ist. Du spielst hier, um zu gewinnen. Und da ist dann schon mal bei einer Vize-Meisterschaft, die andere als großen Erfolg sehen, keiner richtig zufrieden. Das zeichnet uns aber auch aus. Und auch die Fans. Die wollen gutes und erfolgreiches Eishockey sehen.

So wie am Sonntag.

Es war ein gutes Spiel, ja. Wir müssen jetzt dazu übergehen, dass wir diese Leistung regelmäßig zeigen und Punkte holen. Wir müssen aufpassen, nicht noch mehr an Boden nach vorne zu verlieren. Die Qualität haben wir, aber es liegt jetzt an allen, die Konzentration hochzuhalten und uns weiter zu fokussieren. Vor allem jetzt ab Dezember. Das ist ohnehin die Phase, in der sich in der Liga normalerweise vieles trennt. Das war bisher eigentlich immer eine unserer Stärken.

Allerdings läuft noch immer der Umbruch von der Ära Don Jackson zu Toni Söderholm. Wie weit sehen Sie diesen Prozess?

Gute Frage, die schwer zu beantworten ist, weil einige Komponenten doch gleich sind. Ich denke gerade im zwischenmenschlichen Bereich, wo jeder neue Trainer die Jungs kennenlernen muss, kommen wir auf die Zielgerade. Er weiß, wie einzelne Spieler ticken. Das ist die große Kunst, die du als Trainer auch brauchst. Denn die Spieler sind sehr unterschiedlich. Manche brauchen mehr Ansprache, wollen auch mal hören, dass sie was Gutes gemacht haben. Andere kannst du auch anstacheln. Er hat sicher gemerkt, dass in der Kabine keiner die Schuld beim anderen sucht, sondern dass alle an einem Strang ziehen. Das ist sehr wichtig. Da entwickelt sich etwas, was sehr helfen kann.

Zum Beispiel am Freitag. Dann kommt Bremerhaven, ein direkter Konkurrent …

Ja, das ist eine Mannschaft, die sich kontinuierlich entwickelt hat. Offensives Spektakel haben Sie schon immer geboten, aber hinten hat es lange nicht gepasst. Das haben sie offenbar analysiert und ihre Schlüsse gezogen. Für uns ist das die Chance, Punkte auf einen Konkurrenten gutzumachen. Das wollen wir tun.

Interview: Patrick Reichelt

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