„Der Richtige, um das Ruder rumzureißen“

von Redaktion

Ex-Profi Aljosa Vojnovic über seinen Freund Nenad Bjelica, den neuen Trainer von Union Berlin

München – Bundesliga-Debüt für Nenad Bjelica (52). Der Kroate ist seit einer Woche Trainer von Union Berlin und trifft an diesem Samstag (15.30 Uhr, Sky) auf den FC Bayern. In seiner Heimat und in Österreich ist Bjelica bekannt. In Deutschland kennen den früheren Kaiserlautern-Profi (2001 bis 04) nur Insider. Im Interview mit unserer Zeitung verrät der kroatische Ex-Profi Aljosa Vojnovic (38), wie sein früherer Spielertrainer und Freund tickt.

Wird Union dem FC Bayern gefährlich?

Nenad ist es gewohnt, pragmatischen Fußball spielen zu lassen. In der kurzen Zeit kann man keine großen taktischen Änderungen vornehmen. Es geht um Motivation und einen positiven Schock nach dem Trainerwechsel. Er wird versuchen, den Schaden zu minimieren, gleichzeitig spielt er immer auf Sieg – er geht nie mit dem Gedanken in ein Spiel, dass er mit einem Punkt zufrieden wäre.

Wie meinen Sie das?

Ihm geht es immer ums Ergebnis. Wenn seine Mannschaft mit ansehnlichem Fußball zum Erfolg kommen kann, wird er schön spielen lassen. Wenn er mit Antifußball erfolgreich sein kann, ist ihm auch dieses Mittel recht. Union spielt gegen das stärkste Team der Liga. Natürlich wird Nenad sein Team defensivorientiert einstellen

Bjelica ist als Motivator bekannt.

Gemeinsam mit dem ehemaligen kroatischen Nationaltrainer Ciro Blasevic ist Nenad bei Weitem der beste Motivations-Coach, den ich in meiner Karriere hatte.

Können Sie bitte ein Beispiel nennen?

Zur Pause lagen wir mit dem FC Kärnten damals zurück. Nenad war unser Spielertrainer. Er kam in die Kabine und begann auf Deutsch und Spanisch zu fluchen. Danach lief er wieder auf den Rasen und wir sind ihm gefolgt – zehn Minuten bevor die Pause zu Ende war. Anschließend haben wir das Spiel noch gedreht. Wir haben wirklich noch eine tolle Saison gespielt. Nenad kann in die Köpfe der Spieler.

Er schreckt auch vor harten Entscheidungen nicht zurück.

Stimmt (lacht). In einem Spiel war er so unzufrieden mit sich selbst. Da hat er mir gesagt: „Aljosa, ich muss etwas tun.“ Dann hat er sich selbst ausgewechselt – und wir haben noch gewonnen.

Worauf legt er Wert?

Intensität ist ihm am wichtigsten. Und ihm geht es vor allem auch darum, dass die Spieler verstehen, warum er gewisse Übungen macht.

Wie kam es zu Ihrer Freundschaft?

Wir kommen beide aus Osijek. Nenad war mein Vorbild. Er hat mich 2008 aus Norwegen nach Kärnten geholt. Drei Tage vor Ende der Wintertransferperiode hat er mich angerufen und mich innerhalb von fünf Minuten vom Wechsel überzeugt. Er hat mir die Eingewöhnung so erleichtert, mich in die Stadt gefahren, um eine SIM-Karte zu kaufen oder mich zum Mittagessen mit seiner Familie eingeladen. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie dankbar ich ihm bin. Später gab es Gespräche über eine Zusammenarbeit, aus verschiedenen Gründen kam es aber nicht dazu. Er hat mir vom ersten Moment an erzählt, dass sein langfristiger Plan ist, einen Verein aus einer der Top-5-Ligen Europas zu trainieren. Es ist keine allzu große Überraschung für mich, dass er endlich die Chance dazu bekommen hat!

Was trauen Sie ihm bei Union Berlin zu?

Nenad ist der richtige Mann, um das Ruder rumzureißen. Er kommt zu einem Team mit großer Qualität. Das Schwierigste wird sein, der Mannschaft wieder Selbstvertrauen zu geben. Er ist aktuell auch als Psychologe gefragt. Er ist überragend, wenn es darum geht, eine Verbindung zu den Spielern herzustellen. Er spricht mehrere Sprachen fließend, zum Beispiel Deutsch, Englisch, Spanisch, Italienisch und natürlich Kroatisch. Ich traue Union zu, am Ende der Saison im Tabellenmittelfeld zu stehen und eventuell sogar um die Europapokal-Plätze mitzukämpfen.

Interview: P. Kessler

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