„Welchen Preis wollen wir für Olympia zahlen?“

von Redaktion

DOSB: Neuer Russland-Kurs Meinung des deutschen Sports – „Athleten Deutschland“ sieht das anders

VON NICO-MARIUS SCHMITZ

München – Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) nimmt Kurs Richtung Olympische Spiele. Oder zumindest mal: Kurs Richtung Bewerbung. Nach zuletzt sieben gescheiterten Bewerbungen werden die Sommerspiele 2036 oder 2040 ins Auge gefasst, in der zweiten Jahreshälfte 2024 soll der Öffentlichkeit ein Feinkonzept präsentiert werden.

Und der DOSB bringt sich im Vorfeld schon mal auf Linie des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Das Credo von IOC-Boss Thomas Bach: „Das IOC kann Spiele nur dorthin vergeben, wo seine Regeln respektiert werden. Dazu gehört, dass jeder vom IOC akkreditierte Teilnehmer einreisen darf.“ Und siehe da, auf der Mitgliederversammlung im Rahmen der Olympia-Offensive verkündete der DOSB einen neuen Russland-Kurs, spricht sich nun auch für aus, dass Russen und Belarussen unter gewissen Auflagen als neutrale Athleten auflaufen dürfen. Weikert verkaufte den Umschwung als „Meinung des deutschen Sports“.

Der Verein „Athleten Deutschland“ als unabhängige Interessenvertretung hat da eine andere Meinung. Zwar überprüfe man derzeit die eigene Position erneut sorgfältig, aber: „Einen Anlass, der eine Änderung unserer grundsätzlichen Haltung zum Totalausschluss rechtfertigen würden, bot sich bisher nicht“, sagt unserer Zeitung Maximilian Klein, Direktor für Sportpolitik und Strategie bei Athleten Deutschland. „Der Angriffskrieg tobt in unverminderter Härte weiter. Unsere Zweifel an der Eignung und praktischen Umsetzbarkeit der Regelungen zu neutralen Athletinnen und Athleten aus Russland bleiben bestehen“, sagt Klein. Der Weltsport habe aus Sicht von Athleten Deutschland in den vergangenen Monaten nicht den Beweis erbracht, dass seine Regelungen zu neutralen Athletinnen und Athleten praktisch umsetzbar, zielführend und wirksam sind.

Sowohl Weikert als auch DOSB-Vorstand Torsten Burmester versicherten, dass der neue Kurs nichts damit zu tun habe, die Chancen beim IOC hinsichtlich Olympia zu verbessern. Beide hatten aber wohl auch vergessen, dass die Regelung des „neutralen“ Athleten sich im Weltsport als häufig nicht praktikabel gezeigt hat. „Die Instrumentalisierung des Sports und der Athletinnen und Athleten für Putins Kriegspropaganda wird damit nicht unterbunden. Das Instrument scheint nicht geeignet und mit erheblichen praktischen Umsetzungsproblemen behaftet zu sein“, sagt Klein.

Auch Hessens Ministerpräsident Boris Rhein hatte sich klar gegen einen Start russischer Sportler ausgesprochen: „Denn bei allem Respekt: Das stellt die Olympische Idee auf den Kopf. Hier geht es um Haltung. Diese Haltung muss gerade jetzt gezeigt werden.“

Aber welche Haltung zeigt der DOSB, der zwischen Politik, IOC, den Athleten und der Bevölkerung balancieren muss? „Der organisierte Sport muss sich der Frage stellen, was eine Bewerbung wert ist und welchen Preis er für eine chancenträchtige Olympiabewerbung zu zahlen bereit ist“, sagt Klein.

Sich in der Russland-Frage einfach nach der Mehrheit des Weltsports zu richten, um somit einem Konflikt mit dem IOC aus dem Weg zu gehen? Auch da hat Klein eine klare Meinung: „Dies würde die Glaubwürdigkeit und Integrität des deutschen Sports gefährden und möglicherweise Handlungsunfähigkeit bei zahlreichen weiteren Fragestellungen des Weltsports implizieren.“

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