Showdown im Eiskanal

von Redaktion

Cesana – oder etwa Königssee? IOC-Entscheidung um Schlitten-Wettbewerbe 2026 steht an

VON HANNA RAIF

München – Die Sportler im Eiskanal sind dieser Tage mit dem allerletzten Feinschliff beschäftigt. Die Rodler üben seit Wochen in Lake Placid (USA), die Bob-Teams und Skeletonis rasen im französischen La Plagne, der Fokus liegt vor der ersten bzw. zweiten Weltcup-Station auf den Bahnen. Nur heute, am Nikolaustag, ist ein Blick über die Bande hinaus erlaubt. Gespannt wird die Entscheidung erwartet, die 793 Tage vor der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele von Mailand und Cortina d’Ampezzo großen Einfluss auf die Entwicklung des weltweiten Schlittensports hat. In Italien habt man entweder den Daumen – oder eben nicht. Und dann geht’s erst richtig los.

„Für den Sport wäre Cesana das Beste“, sagt Alexander Resch, Vorstandsmitglied des deutschen Verbandes BSD, gegenüber unserer Zeitung und bringt einen komplexen Sachverhalt damit auf den Punkt. Denn weil sich – wie seit wenigen Wochen bekannt – kein Sponsor für den geplanten Wiederaufbau des maroden Eiskanals in Cortina d’Ampezzo gefunden hat, stehen die Schlittensportarten aktuell vor dem olympischen Nichts. Während sich das NOK in Italien darum bemüht, die seit 2011 dem Verfall preisgegebene Kunsteisbahn in Cesana Torinese als „Heimspiel“-Alternative anbieten zu können, bringen sich Bahnen in der DACH-Region seit Wochen in Stellung. Entscheidend wird sein, ob das NOK das Internationale Olympische Komittee (IOC) überzeugen konnte, dass eine dauerhafte Nutzung der Olympiabahn von 2006 möglich sein wird. „Das ist die Grundvoraussetzung“, sagt auch Resch. Denn mindestens 35 Millionen Euro wären für eine Restaurierung nötig.

Das massive Problem fällt in eine Zeit, in der Energie und Nachhaltigkeit Hauptthemen des Wintersports sind. Cesana ist eigentlich ein klassischer „weißer Elefant“ – gebaut für die Spiele, um dann zu verfallen. Whistler (Ausrichter 2010) und Pyeongchang (2018) sind heuer nicht im Weltcup-Kalender, Sotschi (2014) sowieso außen vor – und in Peking (2022) mussten jüngst Frauen-Rennen mangels Starterinnen abgesagt werden. Der Konflikt ist da nur logisch: Soll man in noch eine Bahn investieren – oder lieber das erste Mal in der 102 Jahre langen olympischen Geschichte ins Ausland ausweichen?

Alternativen gibt es genug: In Innsbruck-Igls führen erste Umfragen zu einem positiven Stimmungsbild, in St. Moritz wirbt man mit dem Image als einzige Natureisbahn der Welt, und auch vom BSD ist eine Interessensbekundung abgegeben worden. Mögliche Standorte: Altenberg, Winterberg und die nach den Unwettern von 2021 noch nicht wieder stehende Bahn am Königssee, die Resch als „gute Alternative“ bezeichnet. Bis Mitte 2025 soll der Wiederaufbau gelingen, die Infrastruktur für Großereignisse steht. In BSD-Chef Thomas Schwab einen Mann an der Hand zu haben, der im Rodelverband FIL als Vizepräsident fungiert und in der Bahnbaukommission der IBSF vertreten ist, gilt als weiterer Vorteil. Provisorien für den noch zerstörten Herrenstart hat man im Kopf, viele Gedanken wurden schon gesponnen. Trotzdem fragt sich Resch für den Fall der Fälle: „Müssen wir Geld mitbringen – oder hätten wir die Chance, IOC-Gelder zu verwenden?“

Diese und weitere Fragen müssten mit den Organisatoren, dem Kreistag und der Tourismusbehörde abgesprochen werden, denn „Olympische Spiele machen nur Sinn, wenn auch alle sie wollen“. Ob es dazu kommen wird, wird sich heute entscheiden. Die Augen aus allen Eiskanälen richten sich nach Italien.

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