Herning/München – Die Ausgangslage ist bestens. Das Ziel klar definiert. Wenn die deutschen Handball-Damen heute mit ihrem ersten Hauptrundenspiel gegen Rumänien (18.00 Uhr/sportdeutschland.tv) in die heiße WM-Phase starten, geht es um das Viertelfinale – mindestens. Denn selbst beim Verband träumt nach der souveränen Vorrunde (drei Siege) und 30 Jahre nach dem letzten Titel von einer „neuen WM-Sternstunde“.
Mittendrin im dänischen Herning ist auch eine Ex-Münchnerin: Lisa Antl. Die Kreisläuferin, geboren in Ingolstadt, spielte eine Saison in Ismaning und zwei Jahre in Gröbenzell, einem Vorort im Westen der Stadt. „Wir sind im Flow“, sagt die 23-Jährige im Gespräch mit unserer Zeitung, um dann hinterherzuschieben: „Mal sehen, was am Ende dabei herauskommt.“ Bloß nicht zu früh zu viel wollen, lautet die Devise. Klingt vielleicht etwas langweilig, stellte sich in der Vergangenheit im Lauf eines Turniers aber meist als sehr hilfreich heraus.
„Wenn ich meine Aufmerksamkeit durch drei teile, habe ich nur ein Drittel Fokus auf das kommende Spiel“, so Antls mathematischer Ansatz. Vermutlich wird das Duell mit Rumänien (zwei Punkte) für das DHB-Team (vier Punkte) auch rein rechnerisch zum Schlüsselspiel. Ein weiterer Sieg und die Chancen auf einen der ersten beiden Plätze, die nötig sind für das Viertelfinale, wären sehr hoch. Doch auch davon will Antl nichts wissen: „Die Öffentlichkeit kann viel spekulieren, das kriegen wir hier nicht so mit.“
Das letzte Aufeinandertreffen mit dem heutigen Gegner konnte die Mannschaft von Bundestrainer Markus Gaugisch bei der EM im Vorjahr mit 32:28 für sich entscheiden. Zum Start überzeugte Rumänien mit zwei klaren Siegen, gegen Mit-Gastgeber Dänemark (23:39) geriet man aber böse unter die Räder.
Allerdings hat das Team von Florentin Pera (44) womöglich noch ein Ass im Ärmel: Cristina Neagu (35). Die vierfache Welthandballerin ist seit drei Wochen verletzt, hofft aber bei ihrer letzten WM noch auf eine Rückkehr auf die Platte. Gaugisch geht davon aus, dass sie aufläuft.
„Es kann viel passieren. Viele Mannschaften sind auf einem Level, sodass die Tagesperformance entscheidend sein kann“, sagt Emily Bölk. Ihre Mutter Andrea (55) war Teil des Teams, das in der magischen Nacht von Oslo 1993 den WM-Thron bestieg.
„Ich eifere ihr stolz nach. Es ist von klein auf mein Riesentraum, die Geschichte von Mama zu wiederholen. Dafür stehe ich Tag für Tag auf“, so die 25-jährige Co-Kapitänin, die um die Bedeutung des Spiels, vor allem für Rumänien, weiß. „Genau deshalb wird das ein absoluter Kampf werden. Sehr körperbetont. Sehr emotional“, so Bölk. Auch Lisa Antl hat sich nach oben gekämpft und mittlerweile zur zweiten Kreisläuferin gemausert – hinter Rückkehrerin Julian Behnke (30), aber vor Meike Schmelzer (30). „Die Arbeit mit den beiden liebe ich. Wir ergänzen uns gut und ich kann mir einiges von ihnen abschauen. Das ist Goldwert“, sagt Antl.
Seit sie Gröbenzell im Sommer 2019 verlassen hat, ging alles „ratzfatz. Ich habe die Augen kurz zu gemacht, wieder auf und plötzlich war ich ganz woanders.“ Und wer weiß, vielleicht öffnet Antl in ein paar Tagen ihre Augen und hat eine Medaille um den Kopf hängen. Das würde sie so natürlich nie sagen. Aber träumen wird wohl noch erlaubt sein. MATHIAS MÜLLER
Vor vier Jahren noch in Gröbenzell