150 Fahrten, elf Stürze

von Redaktion

RODELN Doppel-Debütantin Eitberger braucht Zeit, sagt aber: „Wir glauben an das Projekt“

VON HANNA RAIF

München – So eine Couch ist gemütlich, und ein Training auf Weltcup-Niveau anstrengend. Aber ein bisschen verwundert war Christopher Mayer in den vergangenen Monaten schon. „Irgendwann“, erzählt Dajana Eitberger über ihren Lebensgefährten, „hat er mich gefragt, warum ich so viel schlafe.“ Die Antwort war für die Rodlerin leicht zu geben: Weil Kopf und Körper platt sind von all dem, was zwar eigentlich identisch ist wie in den vergangenen elf Weltcup-Jahren – aber doch so anders.

Im Frühjahr hat Eitberger, amtierende Sprint-Weltmeisterin im Einzel, ihren Wechsel auf den Doppelsitzer verkündet. Zwischen diesem Tag und dem Debüt mit Partnerin Saskia Schirmer an diesem Freitag beim Weltcup-Auftakt in Lake Placid (USA) ist viel passiert. 100 bis 150 Fahrten hat das Duo gemeinsamen absolviert – und wer die stattliche Zahl von elf Stürzen daneben stellt, kann sich ausrechnen, dass die Erfahrung auch schmerzhaft war. Eitberger nennt das Abenteuer, für das sie sich als Mutter eines drei Jahre alten Sohnes bewusst entschieden hat, „kein Zuckerschlecken“. Sie gibt offen zu, „von Anfang an“ gewusst zu haben, „dass es nicht leicht wird. Aber damit, dass es so schwer wird, habe ich nicht gerechnet.“

Wer Olympiasilber und sechs WM-Medaillen daheim hängen, dazu zehn Weltcuprennen gewonnen hat, hat allen Grund, optimistisch an den neuen Start zu gehen. Die Reise nach Übersee aber ist Eitberger nach „vielen schlaflosen Nächten daheim“ mit „gemischten Gefühlen“ angetreten. Erst jetzt, wo eine internationale Trainingswoche hinter ihr und ihrer Untersitzerin liegt und die Fahrlinie immer besser wird, sagt sie vorsichtig: „Wir fühlen uns schon viel wohler.“ Aus der Ungewissheit ist die Überzeugung gewachsen, „dass wir zwar noch keine Garanten für zwei perfekte Läufe sind. Aber wir wissen, dass wir zu 50 Prozent gut mitfahren können.“

Die Quote zu steigern, stabiler zu werden und auf ein ähnliches Level zu kommen wie die Weltmeisterinnen Jessica Degenhardt (Altenberg) und Cheyenne Rosenthal (Winterberg), die als zweites Damen-Doppel an den Start gehen, ist das Ziel für diese Saison. In Rodlersprache heißt das: „Mit dem Gerät anfreunden und es leicht aussehen lassen.“ Und das klingt – so musste auch Eitberger feststellen – leichter, als es ist. Rund 70 Kilogramm mehr als früher muss die 32-Jährige oben liegend lenken, sie vergleicht das Gefühl des Zusatz-Gewichts lachend „mit dem Weihnachtsspeck bei der ersten Jogging-Runde im neuen Jahr“. Das System, das seit knapp 20 Jahren aus ihr und ihrem Schlitten bestand, ist nun deutlich komplexer. Sie sagt: „Ich fühle mich um zwölf Jahre zurückgeworfen“, und es gab durchaus Momente, in denen ihr Trainer den Satz „Ich kann das einfach nicht“ hörte. Geduldig nämlich, das sagt Eitberger, ist sie nicht.

Es tut freilich gut, wenn dann – wie in Lake Placid – nach einem guten Lauf Lob kommt. Dass sie die „schwerste Bahn der Welt“ aus diversen Einzelrennen kennt, kommt ihr neben Debütantin Schirmer zugute. Genau wie die Tatsache, dass ihre Untersitzerin ihr „volles Vertrauen schenkt. Saskia ist ein Ausnahmetalent“, sagt Eitberger. Und wenn zwei Gute sich vereinen, müsste es doppelt gut werden, oder?

Noch ist dieser Punkt nicht erreicht, und hört man Eitberger genau zu, hört man auch ihr Gefühlschaos. Bis zu ihrem großen Karrierefinale bei den Olympischen Spielen 2026 „sind es nur noch zweieinhalb Jahre, da müssen wir fertig sein“, sagt sie. Schnell aber kommt hinterher: „Aber ich glaube an das Projekt.“

Genau wie Chefcoach Norbert Loch, der Eitberger kennt – und ihr vertraut. Eine erste Bilanz wird bei der WM Ende Januar in Altenberg gezogen, also bei exakt der Hälfte der Weltcup-Saison. Und auf der Couch schlafen, so viel ist sicher, ist bis dahin nicht allzu oft drin.

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