München – Im Juni 2021 stieß Markus Krösche als Sportvorstand zur Eintracht, ein Jahr später gewannen die Frankfurter die Europa League. Inzwischen sind sie, trotz des momentanen Leistungstiefs, die Nummer drei in Deutschland in puncto Reichweite – hinter Dortmund und Krösus FC Bayern, den die Hessen am Samstag zum Bundesliga-Heimspiel empfangen (15.30 Uhr). Unser Interview mit dem Erfolgsmanager.
Herr Krösche, ganz untypisch haben die Bayern unter der Woche frei gehabt, während Frankfurt im Pokal ranmusste. Haben Sie den Nachteil, den so oft die Bayern haben?
Nein. Die Bayern hätten sicher gerne getauscht. Aber im Ernst: So ein Pokalspiel ist ja etwas Schönes. Es ist aber bitter für uns, dass wir die gleiche Erfahrung in Saarbrücken machen mussten wie die Bayern. Wir waren zu keinem Zeitpunkt im Spiel und haben verdient verloren. Das ärgert uns extrem.
Das letzte Heimspiel gegen die Bayern endete 1:6. Warum passiert das diesmal nicht?
Zu dem Zeitpunkt haben wir ein Stück weit naiv gespielt – und die Bayern waren eiskalt in diesem Eröffnungsspiel. Wir wollen einfach unsere Leistung auf den Platz bringen. Dass wir das können, haben wir gegen Dortmund schon gezeigt. Da haben wir nur leider kurz vor Schluss den Ausgleich bekommen. Mit unseren Fans im Rücken wollen wir den Bayern einen Fight liefern und natürlich was mitnehmen.
Zuletzt hatte man den Eindruck, Frankfurt sei stabil, nun aber setzte es vier empfindliche Niederlagen. Wo steht die Eintracht?
Wir haben einen großen Umbruch gehabt, mit einem neuen Trainerteam, einem neuen Ansatz, Fußball zu spielen. Wir sind fast jede Woche unter den jüngsten Bundesliga-Mannschaften zu finden. Am Anfang haben wir ein paar Probleme gehabt, aber die Automatismen haben sich inzwischen gefunden. Wenn wir dann vier Mal verlieren, ärgert uns das, aber ich will die Dinge differenzieren. In allen Spielen gab es viele gute Momente, aber zu einfache Gegentore. Das ist auch eine Lernkurve, die wir gerade nehmen müssen. Für mich gehört das zu einer Entwicklung dazu.
In Frankfurt wurde neulich getitelt: „Krösche reicht es mit den vielen Umbrüchen.“ Trifft das zu?
Es war wichtig, diesen Umbruch zu machen. Wir hatten eine erfolgreiche Zeit, viel erlebt – aber es war ein guter Zeitpunkt, dass der eine oder andere Spieler seinen Weg woanders weiter fortsetzt. Klar ist, dass es nicht unser Ziel ist, jedes Jahr so einen großen Umbruch zu haben. Wir haben viele junge und spannende Spieler dazu bekommen, haben eine junge Mannschaft mit viel Potenzial. Wir wollen die nächsten zwei, drei Jahre zusammenbleiben und wachsen.
Ist Ihre Aufgabe eigentlich reizvoller als die des Sportvorstands beim FC Bayern?
Die Bayern haben noch mal ganz andere Ziele, müssen Titel holen, am besten in allen Wettbewerben. Aber auch wir haben ambitionierte Ziele, wollen in jedem Wettbewerb so weit kommen wie möglich. Im Verhältnis zu den Möglichkeiten ist das Arbeiten daher nicht anders, würde ich sagen. Jeder hat den Markt, auf dem er das Beste für den eigenen Club herausholen will.
In Frankfurt wird ähnlich viel über das Wintertransferfenster gesprochen wie in München. Ist die Möglichkeit des Nachjustierens Fluch oder Segen?
Wir haben eine gute Mannschaft, die sich entwickelt und noch lange nicht am Ende ist. Der Blick auf den Markt ist bei uns also nicht von Unruhe geprägt. Natürlich gibt es Kaderbausteine, die uns noch guttun würden, auch im Laufe einer Saison. Aber wir werden nicht irgendetwas machen, nur um etwas zu machen. Wenn wir jemanden finden, der uns hilft, noch flexibler zu sein, können wir es versuchen. Aber kein Harakiri und keine Transfers auf Teufel komm raus. Da neigt man im Winter natürlich öfter dazu als im Sommer, weil der Markt viel schlanker ist. Aber wir wissen schon ganz gut, wie wir uns da verhalten wollen und werden. Ich bin kein Freund vom Aktionismus.
Sie nutzen ein sogenanntes „Vier-Stufen-Modell“ im Scouting, der erste Schritt ist ein auf Eintracht Frankfurt zugeschnittener Algorithmus. Sind Sie der Konkurrenz da voraus?
Wir machen eine Mischung aus Daten-, Video- und Live-Scouting, das für uns optimal ist. Daten aber werden grundsätzlich inzwischen bei vielen genutzt, das ist kein Alleinstellungsmerkmal. Trotzdem haben wir ein Team, das sehr gut und sehr weit ist. Der Bereich erhöht die Effizienz und Geschwindigkeit im Scouting – und das ist im Wettbewerb heutzutage essenziell.
Was entgegnen Sie Experten, die sagen: Frankfurt hat doch 95 Millionen Euro für Kolo Muani eingenommen – warum nicht mehr investieren?
Dass wir zwar viel Geld eingenommen, in den letzten Jahren aber durch Corona herbe Verluste hinnehmen mussten. Da geht es uns nicht anders als den anderen großen Clubs. Wir müssen nachhaltig arbeiten, können keine wilden Dinge machen und Geld rausschmeißen. Ruhe und Bedacht sind da die Stichworte, überlegtes und zukunftsorientiertes Handeln. Wer von uns verrückte Sachen erwartet, wird sie nicht bekommen. Weder in puncto Ablöse noch in Sachen Gehalt. Wir wissen, wer wir sind und wo wir herkommen.
Wie heiß waren denn die Kolo Muani-Abwerbeversuche der Bayern?
Mit der Transfer Taskforce hatte ich nichts zu tun (lacht).
Sie sind in Frankfurt Sportvorstand. Braucht man diese Position in jedem Club? In München ist die Frage aktuell ein Thema . . .
Ohne es speziell auf Bayern zu beziehen: In der Komplexität der Aufgaben ist es mittlerweile doch viel, man braucht also die Verteilung der sportlichen Verantwortung auf mehrere Schultern. Wie man das dann benennt, in welcher Hierarchie-Struktur man es organisiert, muss jeder Verein selber entscheiden. Aber bei der Fülle und Komplexität der Aufgaben – gerade mit Blick in die Zukunft – hat es nur Sinn. Da kommen Themen wie sinkende Medieneinnahmen, Multi-Club-Ownerships, der neue Player Saudi-Arabien auf uns zu, da verändert sich der Markt schon enorm. Wenn man nachhaltig erfolgreich sein will, braucht er mehr als einen Verantwortungsträger. Die Struktur halte ich daher für sinnvoll.
Aktuell ist Christoph Freund als Sportdirektor verantwortlich. Sie kennen ihn gut aus RB-Zeiten.
Das stimmt. Wir haben eine sehr gute Beziehung, mögen uns, sind nach wie vor im Austausch. Christoph ist ein super Typ, ein toller Sportdirektor mit klaren Zielen und Visionen. Er ist jemand, der das Ganzheitliche im Blick hat. Er muss Titel holen, aber er hat das Auge für den Nachwuchs. Ich habe großen Respekt vor dem, was er in Salzburg gemacht hat. Und es wundert mich nicht, dass er auch in München sehr gelobt wird.
Den Blick fürs große Ganze haben Sie auch Trainer Dino Toppmöller nachgesagt. Wie ist er als „Chef“?
Dino macht das super. Er hat eine klare Idee, wie er Fußball spielen will, wie er seine Inhalte umsetzt. Und er hat einen guten Draht mit den Jungs. Auf der einen Seite nah und kommunikativ, auf der anderen Seite klar und konsequent. Er ist ein Verfechter des Leistungsprinzips, da sind die Namen letztendlich zweitrangig. Er hat den Blick für junge Leute, aber auch den Mut, sie spielen zu lassen. Das macht er sehr gut, beeindruckend, obwohl es ja seine erste Cheftrainer-Position in der Bundesliga ist. Er passt sehr gut zu Eintracht Frankfurt.
Er war lange Co-Trainer von Julian Nagelsmann. Hat er noch Nagelsmannsche Züge in sich?
Wenn du lange zusammenarbeitest, übernimmst du das eine oder andere. Aber Dino hat seine eigene Idee und seine eigene Identität. Die hatte er schon vorher, als er in Luxemburg und Belgien Cheftrainer war. Schlaue Trainer nehmen die guten Sachen von anderen mit. Aber Dino hat schon seinen eigenen Stil.
Ihre Lobhymne klingt ähnlich wie die Töne, die man aus Leverkusen über Xabi Alonso vernimmt.
Da gibt es sicher Parallelen, auch vom fußballerischen Ansatz her. Und darüber, dass Alonso gerade herausragend gute Arbeit macht, lässt sich nicht streiten.
Fredi Bobic sagte einst in Ihrer Position, er freue sich morgens beim Joggen über immer mehr Eintracht-Trikots. Hat sich der Trend fortgeführt?
Da gibt es ein Problem . . .
Welches?
Ich gehe nicht joggen (lacht).
Wo holen Sie sich das Stimmungsbild?
Das muss ich mir nicht holen, das spüre ich. Die Entwicklung in den letzten zwei Jahren war schon extrem. Im Sommer 2021 waren es 85 000 Mitglieder, jetzt haben wir 135 000. Auch die Wahrnehmung in Europa hat sich komplett verändert. Nach Bayern und Dortmund haben wir mittlerweile die größte Reichweite. Vor ein paar Jahren musste ich bei Transfers noch erklären, wer wir sind und was wir machen. Mittlerweile wissen sie das (lacht).
Interview: Hanna Raif