Was da aus der Frankfurter Kurve durchs Stadion hallte, war für die Bayern-Seele nicht schön. Es fing früh an mit dem Hit: „Und ihr wollt Deutscher Meister sein.“ Und es endete mit einem Sprechchor, die diesen denkwürdigen Bundesliga-Nachmittag am besten beschrieb. Die Zeile „Einer geht noch, einer geht noch rein“ stand für das Gefühl, das 58 000 Fans rund um das 5:1 von Eintracht Frankfurt gegen den FC Bayern in sich trugen: dass der Rekordmeister verwundbar ist, und zwar richtig.
Auch in einem Fernsehstudio rund 300 Kilometer entfernt wurde Klartext geredet. Wenig überraschend war es Didi Hamann, der den aus seiner Sicht fälligen Elfmeter gegen Thomas Tuchel verwandelte. Wer schon kritisiert hat, als die Ergebnisse noch stimmten, kritisiert freilich doppelt, wenn sie es nicht mehr tun. Also, Volltreffer! Denn „dass es so kommt“, war Hamann natürlich „klar. Man hat sich die Ergebnisse der letzten Wochen schöngeredet.“ Hätte man mal auf ihn gehört.
Es ist schon interessant zu beobachten, was passiert, wenn der seit Jahren dominierende Branchenprimus mal untergeht. Die Schadenfreude ist groß, eine Meinung hat jeder – ob gefragt oder nicht. Und so ist das Bemühen der Bayern, Außengeräusche wie pöbelnde Gegner-Fans und lamentierende TV-Experten auszublenden, auch richtig. Was allerdings – und das hat dieses Debakel in Frankfurt mehr als deutlich gezeigt – nicht passieren darf, ist das Vertrauen auf das Phänomen „Selbstläufer“. Denn davon, ein stabiles Team in allen Lebenslagen zu sein, ist die Tuchel-Elf nach wie vor weit entfernt.
Es wäre falsch, nach dieser ersten (!) Liga-Pleite der Saison alles schlecht zu reden. Genauso falsch war es aber auch, in den vergangenen Wochen – mit Ausnahme der Pokal-Blamage von Saarbrücken – alles positiv zu sehen. Beeindruckend waren bisher Einzelleistungen: Tore der Offensivmänner Harry Kane und Leroy Sané, Paraden des Comebackers Manuel Neuer, starke Auftritte von Ersatz-Verteidiger Leon Goretzka und Allround-Waffe Konrad Laimer. Konstant gute geschlossene Leistungen wie etwa beim 4:0 in Dortmund aber gab es nur punktuell.
Der Rückstand auf Leverkusen schmerzt, er ist aber (noch) zu verschmerzen. Deutlich mehr als die Erkenntnis, dass dieser Regentag von Frankfurt die Bayern in ihrem Selbstbild echt zurückgeworfen hat. Man ist noch nicht so weit, wie man dachte. Und das könnte auf dem Weg zum Titel das größte Hindernis sein.
Hanna.Raif@ovb.net