Schockierend schlecht

von Redaktion

Trainer Tuchel nimmt die Bayern-Blamage in Frankfurt auf seine Kappe

VON HANNA RAIF

Frankfurt – Der Platz zwischen den beiden Mannschaftskabinen war am späten Samstagnachmittag in den Katakomben des Frankfurter Stadions für die Analyse dieses Spiels der beste. Aus einer Richtung konnte man laute Musik von wechselnden DJs vernehmen, dazu immer wieder das schallende Geräusch eines sauberen Handschlags. Und aus der anderen Richtung hörte man: nichts. Kein Wort, keine Stimmen, keinen Bass. Weil schon in diesen bitteren Minuten nach Abpfiff jedem im Tross FC Bayern klar gewesen ist, dass die erste Bundesliga-Niederlage der Saison, ein 1:5 (1:3) bei der Eintracht, für sich selbst sprechen würde. Und zwar mit voller Wucht.

Als „enttäuscht und auch sauer“ beschrieb Thomas Tuchel die Gemütslage, in der seine Spieler nach dieser (erneuten) Schmach von Frankfurt die Kabine erreicht hatten. Denn das, was da auf dem Rasen passiert war, fühlte sich tatsächlich an wie der „Paukenschlag“, als den „Sky-Experte“ Lothar Matthäus diesen historischen Tag bezeichnete. Zuletzt im Jahr 2004 war der Rekordmeister schon zur Pause in der Liga mit 1:3 zurückgelegen, 19 Jahre später saß nun Thomas Tuchel auf dem Podium und sprach von „einer langen Mängelliste“. Sie fing an bei „eklatanten individuellen Fehlern“, führte über „fehlende Galligkeit“ und fand ein passendes Ende in dem Satz: „Nichts, was wir uns heute vorgenommen haben, haben wir auf den Platz bekommen.“ In Fakten zusammengefasst: Einem Tor von Joshua Kimmich (43.) standen fünf der Frankfurter Omar Marmoush (12.), Eric Junior Dina Ebimbe (31./50.), Hugo Larsson (36.) und Ansgar Knauff (60.) entgegen. Sportdirektor Christoph Freund sagte treffend: „Ein richtig schlechter Auftritt.“ Schockierend schlecht. Leon Goretzka fügte im „Aktuellen Sportstudio“ des ZDF hinzu: „Solche Spiele dürfen Bayern München nicht passieren.“

Schon 2019 war der Rekordmeister im Deutsche-Bank-Park mit 1:5 unter die Räder gekommen, unmittelbar danach musste Niko Kovac seine Koffer packen. So weit ist es bei Tuchel noch nicht – und dennoch wirft der fehlerbehaftete Auftritt vor den Augen vom mitgereisten Tribünengast Uli Hoeneß mehr Fragen als Antworten auf. „Es gibt viel aufzuarbeiten und zu verdauen“, sagte der 50-Jährige nach seiner bisher höchsten Pleite als Bayern-Coach, wohlwissend, „dass wir wenig Argumente für das haben, was wir gemacht haben“. Das galt für die Spieler auf dem Platz, die nach der unfreiwilligen Pause von zehn Tagen die „Gefährlichkeit der Situation unterschätzt“ haben. Das galt aber auch für ihn selbst. Denn die Schuld daran, dass Frankfurt den Bayern – beflügelt von 58 000 Zuschauern – „den Schneid abgekauft hat“ (Thomas Müller), nahm Tuchel auch auf seine Kappe.

Zwar hatte der Trainer eindringlich davor gewarnt, „die Spannungskurve hochzuhalten“, um den temporären Sprung an die Tabellenspitze zu meistern. Er selbst aber ist unmittelbar vor Anpfiff nervös geworden. „Wir haben zu viele Informationen reingebracht, da ist der Fokus abhanden gegangen“, sagte er über die Momente, in denen er sich mit Blick auf die Aufstellung nicht mehr sicher war, ob Frankfurt mit einer Vierer- oder Fünferkette agieren würde. Das Resultat der Last-Minute-Umstellung seines Teams war heilloses Chaos auf dem Platz, keine Abstimmung, dazu Unsicherheit. Vercoacht? Tuchel: „Es war ein Puzzleteil.“

Am Ende stand die Gewissheit: „Wir können unter keinen Umständen auf diesem Niveau weiterspielen.“ Man war allerdings bemüht, das Debakel als Ausrutscher darzustellen. „Unsere Reaktion bestimmt der Spielplan“, sagte Tuchel – und Müller kündigte schon für den sportlich unbedeutenden Trip zu Manchester United an: „Wir werden zurückschlagen.“ Die Weichen dafür – und das deutlich bedeutendere Heimspiel am Sonntag gegen Verfolger Stuttgart – wurden ab Sonntag gestellt. Beim öffentlichen Training wurde wieder gesprochen. Aber vom Bass ist man weiter weit entfernt.

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